Hessen: SPD angelt sich Wahl-Finnen
Der ehemalige Deutschlehrer Rainer Domisch soll der hessischen SPD zur Wahl neuen Glanz bringen. Immerhin ist er Schulberater in Finnland, dem Siegerland der Pisastudie.
Der Spitzenkandidatin der hessischen SPD für die Landtagswahlen, Andrea Ypsilanti, gelang bei der Besetzung ihres Schattenkabinetts ein zweiter Coup. Nach der Verpflichtung des Solarpapstes Hermann Scheer (SPD) für das Amt des Umweltministers schon vor Wochen, konnte Ypsilanti jetzt auch einen Bildungspapst gewinnen. Rainer Domisch, oberster Schulberater in Finnland. Der 61 Jahre alte, parteilose Domisch soll Kultusminister werden. Der ehemalige Deutsch- und Englischlehrer aus Baden-Württemberg stehe für eine "andere Bildungsmentalität, die allen Kindern gleiche Chancen gewährt". In solchen Tönen schwärmt Ypsilanti von Domisch.
Tatsächlich ist das die Bildungsphilosophie Domischs, der seit 1994 in der obersten finnischen Schulbehörde arbeitet. Er war die rechte Hand von Jukka Sarjala, dem mächtigen Chef der Agentur, die regelmäßig Finnlands Schulen untersucht. Mit Lehrplanreformen hat er geholfen, die dort schon seit den 70er-Jahren existierenden Gemeinschaftsschulen (1. bis 9. Klasse) pädagogisch weiterzuentwicklen. Finnland lag bislang bei jeder Pisastudie auf Platz eins.
"Eine Gesellschaft darf sich Ausgrenzung nicht leisten, der Preis dafür ist viel zu hoch", sagte Domisch auf dem SPD-Bildungskongress. Es dürfe einfach nicht passieren, findet der Wahlfinne, dass Kinder zu hören bekämen: "Du bist hier nicht am richtigen Ort." An den finnischen Schulen kümmert sich ein Team von Sozialpädagogen und Psychologen um Schüler und Eltern. Schwächere Schüler werden individuell gefördert. Sitzen bleibt deshalb (fast) kein Schüler mehr.
Dass Ypsilanti mit Domisch einen Hochkaräter an Land gezogen hat, steht außer Zweifel. Der mit einer Finnin verheiratete Familienvater (vier Kinder) ist Multiberater, er hilft Österreich und den Landesregierungen von Mecklenburg-Vorpommern und Berlin. Domisch arbeitet zudem an einem Bildungsprogramm der Unesco für Südafrika mit. Die Grünen loben Domisch denn auch als eine "wohltuende Alternative zur mittelmäßigen Parteifunktionärin Karin Wolff", der amtierenden Kultusministerin in der Regierung Roland Koch. Die Grünen möchten Andrea Ypsilanti ausgesprochen gern zur ersten Ministerpräsidentin des Landes wählen - wenns im Januar tatsächlich reichen sollte für Rot-Grün.
Sehr wahrscheinlich ist das immer noch nicht. Aber mit Domisch wieder ein bisschen weniger unmöglich geworden. Schließlich sinkt auch der Stern des Ministerpräsidenten. Nach einer letzten Umfrage käme Koch selbst mit der FDP nicht mehr auf seinen Lieblingssessel in der Staatskanzlei.
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