Hessen: Einreise nur gegen Gen-Nachweis
Hessische Behörden verlangen bei Familiennachzug von Flüchtlingen DNA-Tests. SPD, FDP und Grüne üben Kritik.
BERLIN taz Während Frankreich Gentests für Einwanderer erst einführt, ist das Verfahren in Hessen offenbar bereits gängige Praxis. Der Frankfurter Anwalt Andreas Cochlovius streitet derzeit vor Gericht über den Nachzug der Frauen und Kinder dreier birmesischer Väter in Frankfurt und Offenbach. Ohne eine DNA-Analyse, die die Blutsverwandtschaft beweist, wird deren Familien bisher der Nachzug verweigert. Doch ein solcher Test sei im diktatorisch regierten Birma nicht möglich, so Cochlovius. "Das ist milde ausgedrückt schikanös", sagte der Anwalt der taz.
Laut Gesetz sind Flüchtlinge verpflichtet, bei der Aufklärung ihrer Fälle mitzuarbeiten. Von einem DNA-Test ist jedoch keine Rede. Beim Familiennachzug wird die Verwandtschaft in der Regel von den deutschen Botschaften in den jeweiligen Ländern überprüft, etwa durch Heirats- oder Geburtsurkunden.
Die Frankfurter Rundschau berichtet über zahlreiche weitere Fälle von Birmesen, Äthiopiern und Türken, deren Familien die hessischen Behörden den Nachzug verweigerten, wenn diese nicht einen DNA-Test vorlegten - obwohl die deutschen Botschaften in den Ländern zum Teil bereits grünes Licht gegeben hätten.
Die Behörden im CDU-regierten Hessen bestreiten, auf einem Gen-Nachweis der Blutsverwandtschaft zu bestehen. Es gebe lediglich ein "freiwilliges Angebot", die Elternschaft zu beweisen, falls Papiere und Urkunden fehlen sollten, sagte ein Sprecher des hessischen Innenministeriums der taz. "Einen Zwang zum DNA-Test gibt es nicht."
Der Fall des birmesischen Flüchtlings H., der seit vier Jahren von seiner Familie getrennt lebt, legt etwas anderes nahe. Der taz liegt ein Protokoll einer Verhandlung vor dem Berliner Verwaltungsgericht vor, das sich derzeit mit dem Fall befasst. Dort wird ein Vertreter der Frankfurter Ausländerbehörde mit der Aussage zitiert: "Wegen der Weisungslage" sei es "ohne DNA-Test nicht möglich", einem Nachzug von H.s Frau und Kind zuzustimmen - und das, obwohl dieser zahlreiche Dokumente vorgelegt hatte, um seine Verwandtschaft zu beweisen: Familienfotos, Briefe, Nachweise über Unterhaltszahlungen, Heirats- und Geburtsurkunde. Laut Gerichtsprotokoll hat das Auswärtige Amt denn auch "keine Zweifel" an H.s Vaterschaft und Ehe. SPD, Grüne und FDP reagieren mit Kritik auf die hessische Praxis. Ein DNA-Test beim Familiennachzug könne nur "auf strikt freiwilliger Basis" erfolgen, sagte SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz der taz. "Für zwangsweise Vaterschaftstests gibt es keine gesetzliche Grundlage und wird es mit der SPD auch nicht geben." Für Hans-Christian Ströbele (Grüne) ist ein Gentest in diesem Zusammenhang generell ungeeignet. "Um der Vater eines Kindes zu sein, muss man nach deutschem Recht ja nicht zwingenderweise blutsverwandt sein", sagte Ströbele der taz.
Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth hält das Verfahren für "zynisch" und spricht von einem "Wettlauf der Schäbigkeit" mit Frankreich. Dort soll am Dienstag die Einführung von Gentests beim Familiennachzug beschlossen werden.
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