Herthas Sieg gegen Leverkusen: Gesteigerte Pappnasenstimmung
Dem Fußball-Erstligisten gelingt der erste Sieg in diesem Jahr: 2:0 gewinnen die Berliner gegen den Champions-League-Aspiranten Leverkusen.
Die Berliner Fans beobachteten das bunte Treiben um sie herum ganz genau: Die vielen verkleideten Menschen in der BayArena waren ja auch nicht zu übersehen. Nach gut einer Stunde – Salomon Kalou hatte für die Gäste gerade zum 2:0 getroffen – war die Zeit dann reif für eine frohe Botschaft. „Berlin feiert Karneval, Berlin feiert überall“, versprühte der Hertha-Block gesteigerte Pappnasenstimmung.
Dabei schwang in dem Gesang auch ein ordentlicher Schuss Selbstironie mit: Im elften Versuch glückte der dritte Auswärtssieg der Saison, das ist maximal durchschnittlich. Der letzte Erfolg in Leverkusen lag zudem neuneinhalb Jahre zurück. Pal Dardai stand damals noch im Profikader der „Alten Dame“. Nun sagte er als Cheftrainer der Hertha: „Meine Mannschaft hat große taktische Disziplin gezeigt und sich nicht hinten reingemogelt, sondern nach vorne verteidigt.“
Nicht zu vergessen: Die beiden Tore – kurz vor der Pause durch den Österreicher Valentino Lazaro und direkt nach Bayers Umstellung von Vierer- auf Dreierkette durch den Ivorer Kalou – seien genau im richtigen Moment gefallen. „Hertha war sehr klar. Wir hätten heute noch ewig weiterspielen können und doch kein Tor geschossen“, analysierte Bayer-Innenverteidiger Sven Bender grimmig.
Sein Trainer Heiko Herrlich ergänzte mit Blick auf das erfolgreich beendete Pokalhighlight gegen Bremen unter der Woche: „Nach dem Kraftakt am Dienstag hat uns die Frische im Kopf gefehlt.“ Weil der frühere Stürmer das schon ahnte, baute er sein Team im Vergleich zum Duell mit Werder auf fünf Positionen um.
So verbrachte Leverkusens offensive Wunderwaffe Leon Bailey, leicht angeschlagen vom Pokal-Viertelfinale, die ersten 57 Minuten auf der Reservebank. Auch deshalb ging Bayers Angriffen vom Start weg die sonstige Schärfe ab. „Vielleicht“, überlegte Sven Bender treffsicher, „hat uns heute die letzte Überzeugung gefehlt.“
Ganz im Gegensatz zu den Berlinern. Stolz erwähnte Übungsleiter Dardai noch mal seinen vorab verkündeten Plan, gegen den vom Pokalfight ausgelaugten Gegner frech zu spielen. Das setzte sein Personal sehr konsequent um – und gewann nach dem vorweihnachtlichen Erfolg in Leipzig bereits zum zweiten Mal bei einem Aspiranten auf die Champions League.
Bayer-Spieler Sven Bender
Ein perfekter Tag
Mit den kontinuierlich abstürzenden Mainzern kommt am Freitag der totale Gegenentwurf nach Berlin. „Jetzt wollen wir auch mal gegen kleinere Teams punkten“, verriet Torschütze Lazaro nach seinem Premierentreffer in der Bundesliga den jüngsten Plan der Herthaner. Zudem erwähnte der 21-jährige Steirer: „Heute ist auch der Geburtstag von meiner Mama – ein perfekter Tag also.“
Für die rasch in die Realität zurückgeholte Werkself galt das weniger. Mit der Einwechslung von Bailey für Benjamin Henrichs blies Chefcoach Herrlich nach knapp einer Stunde zur Offensive. Einige Wimpernschläge später wurde dieser Spielertausch jedoch zum Bumerang. Hertha nutzte einen Einwurf zu einem schnellen Angriff, an dessen Ende Abwehrmann Jonathan Tah noch den jungen Henrichs neben sich vermutete. Der aber hockte da bereits auf der Ersatzbank. Tahs Pass hoppelte ins Leere – und Offensivmann Kalou freute sich.
Eine bizarre Szene hätte Bayer beinahe zurück in die Partie bugsiert: Berlins Torwart Rune Jarstein („Ich habe das in meinem Fußballerleben bis jetzt immer so gemacht“) wurde mit einem indirekten Freistoß acht Meter vor seinem Tor bestraft – weil er den Ball, nachdem er ihn bereits mit den Fingern berührt hatte, in die Hände nahm.
Vier Gelegenheiten in fünf Sekunden
Daraus resultierte ein Chancen-Stakkato für Bayer, mit vier Gelegenheiten innerhalb von fünf Sekunden. „Durch so eine Kleinigkeit hätten wir Leverkusen beinahe noch mal aufgeweckt. Aber mit viel Leidenschaft haben wir uns in der Situation verteidigt“, betonte Pal Dardai. „Und ein bisschen mit dem lieben Gott.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen