Hertha BSC verliert gegen München: Volksfest mit elf Spielverderbern

Auf den Rängen feiern die Fans den Aufstieg. Dass Hertha auf dem Platz das Spiel verdirbt, stört nur wenige. Doch für die erste Liga wird die Spielqualität kaum reichen.

Hoher Einsatz, wenig Erfolg: Berlins Andre Mijatovic gegen Münchens Daniel Halfar. Bild: dapd

BERLIN taz | Ein Schlachtruf ist eine phänomenale Sache. Ein und derselbe Satz kann wahlweise der Stimmungsmache dienen (vor dem Anpfiff) und dem Anfeuern der gewogenen Mannschaft (zwischen der ersten und der 90. Minute) oder als trotzige Durchhalteparole skandiert werden (nach dem Schlusspfiff): "Nie mehr Zweite Liga", grölten die Hertha-Fans beim Einzug der Mannschaft ins Olympiastadion und sie hörten nicht mehr auf. Nicht, als Stefan Buck in der 70. Minute den TSV 1860 München in Führung schoss. Und auch nicht, als Hertha am Ende 1:2 gegen die Münchner verloren hatte.

Es schien, als hätten die fast 60.000 Anhänger den Abend als Volksfest eingeplant und waren nicht gewillt, an diesem Vorhaben zu rütteln. Nahezu vollbesetzt war das Olympiastadion, eingetaucht in blau-weiße Farben, was allerdings so schwierig nicht war, da die Münchner ihren Verein ebenfalls mit blau und weiß zieren. Hartgesottene, bis zum Hals in Hertha-Emblems eingewickelte Fans, Familien, Jugendgruppen. Alle wollten sie der Mannschaft ihre Freude darüber mitteilen, dass ihr Verein in der kommenden Saison wieder in der ersten Liga spielen wird. Nie mehr zweite Liga eben.

Zudem ist zwar der Aufstieg perfekt, doch die Elf von Trainer Markus Babbel hätte auch die Meisterschaft an diesem Abend klar machen können. Die weiland als Glücksbringer Aufgetretenen erwiesen sich indes diesmal als Spielverderber. Zwar kickten sie von Beginn an munter auf, aber es blieb beim Bemühen.

Das lag auch an den Gästen aus München: 1860 hängt auf einem Mittelplatz der Zweiten Liga, die Mannschaft hatte nichts zu befürchten und nichts zu gewinnen. Die in Grün gekleideten Spieler brachen immer wieder mit Einzelangriffen durch, einmal war der Ball bereits auf Höhe der Torlinie, als ihn ein Hertha-Spieler gerade noch webschubste. Die Fans störten sich derweil nicht an den Lücken in der Verteidigung; sie sangen weiter. Stand ja immer noch unentschieden, nichts war verloren.

Zwei Gegentore in zehn Minuten

Nach der Pause ging es schnell: Auf ein Führungstor von Hertha-Nachwuchsspieler Pierre-Michel Lasogga antworteten die Münchner mit zwei schnellen Gegentoren innerhalb von zehn Minuten. Am Ausgleich für die Münchner war Herthas Lasogga gar nicht ganz unbeteiligt; er hatte einen Freistoß von Benjamin Lauth ungeschickt in Richtung eigenes Tor gelenkt.

Die letzten Sonnenstrahlen des Tages schienen auf die Ostkurve, vielleicht waren einige Blau-weiß-Schalträger geblendet, vielleicht hatten sie vor der zweiten Halbzeit zu tief in die Bierbecher geschaut: Sie sangen immer noch. Dazu brachten das Häuflein angereister Münchner Fans in der gegenüberliegenden Kurve kurzzeitig eine neue Tonlage ein. Sie verstummten allerdings bald wieder ob mangelnder Stimmkraft; mehr als das stete Wiederholen der drei Vereins-Anfangsbuchstaben war ihnen ohnehin nicht eingefallen.

Die Mannschaft selbst zeigte sich nach dem Spiel geknickt. "Total ärgerlich", fand Verteidiger Christian Lell die Niederlage. "Hier kommen 60.000 Leute, und wir hätten Meister werden können. Es hat einen faden Beigeschmack, dass wir es nicht geschafft haben."

Herthas Fans hatten die Mannschaft seit vergangenem Sommer unter Druck gesetzt: Länger als eine Saison dürfe der Ausflug in die 2. Bundesliga nicht dauern. Im Gegenzug hielten sie ihrem Verein die Stange. Anders als vom Verein befürchtet, kamen nicht mehr nur die Fan-Vereinigungen, sondern Hertha sprach weiter die breiten Massen an. Das Stadion war für Zweitliga-Spiele rekordmäßig voll.

In zwei Wochen sind fürs letzte Heimspiel dieser Saison 76.000 Karten verkauft. Es könnte noch einmal spannend werden: Hertha tritt gegen den FC Augsburg an. Und der kämpft noch um den Aufstieg in die 1. Bundesliga. In der nächsten Saison dann wird sich zeigen, wie lange die Fans ihre Feierlaune behalten.

Finanziellen Spielraum für großartige Zukäufe hat Hertha nicht, Wechselkandidaten wie eben jener Benjamin Lauth von 1860 München haben sich in ihrer bisherigen Karriere nicht als konstante Leistungsträger erwiesen. Etwas konsequenter als am Freitag wird Hertha gegen Vereine wie Dortmund und Bayern schon spielen müssen – nicht nur, aber auch wegen der Fans auf den Rängen. "Nie mehr zweite Liga", das kann auch als Drohung skandiert werden.