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Hertha BSC nach dem RelegationsspielTotal verkracht

Alina Schwermer
Kommentar von Alina Schwermer

Hertha hat sich gerade noch einmal vor dem Abstieg gerettet – vielleicht wäre es ein heilsamer Sturz gewesen. Ein Wochenkommentar.

Letzte Chance ergriffen: Marc Oliver Kempf (Hertha) im Relegations-Duell mit Ludovit Reis (HSV) Foto: dpa

N icht einmal eine Woche alt ist die Nachricht, dass Hertha BSC trotz Katastrophensaison weiter in der ersten Männer-Bundesliga spielt. Und doch ist sie zum Ende dieser Woche schon fast vergessen. Die erwarteten Rücktritte von Präsident Werner Gegenbauer und Finanzchef Ingo Schiller, der öffentliche Machtkampf von Investor Lars Windhorst gegen die alten Strippenzieher, zuletzt die noch nicht offiziell bestätigte Neuverpflichtung von Sandro Schwarz als Trainer: Wieder einmal steckt Hertha im Umbruch, diesmal aber ist es das Ende einer Epoche.

Die Westberliner Unternehmerclique um Gegenbauer ist passé, Investor Windhorst übernimmt zunehmend unverhohlen das Ruder. Die Chance zur inneren Einkehr nach der Relegation hat Hertha BSC nicht genutzt. Der Klub strauchelt weiter ohne klare Strategie in Richtung des zigsten Neustarts der letzten Jahre.

Es ist schon bemerkenswert, wie wenig Aufbruchstimmung der Relegationssieg erzeugen konnte. „Es ist, als wenn wir Meister geworden wären“, verstieg sich noch triumphierend Prince Boateng, nachdem ein einziges passables Spiel gereicht hatte, um den Abstieg doch noch zu verhindern, ein 2:0 nach 0:1-Hinspielniederlage gegen den HSV. Eine späte Rettung, die wohl weniger dem Mythos Magath als vor allem handelsüblicher Psychologie zu verdanken ist.

Seit der Wiedereinführung der Relegation 2009 gelang es gerade einmal drei Zweitligisten, sich im Duell durchzusetzen, darunter Union Berlin. Fast immer rettet sich der psychologisch bevorteilte Erstligist. Schmerzhafte Erkenntnisse lassen sich in der ersten Liga ignorieren. Andere traditionsreiche Klubs und Geldverbrennungsmaschinen wie der Hamburger SV und Schalke 04 waren erst nach dem Absturz in die Zweitklassigkeit gezwungen, sich mit ihren Managementfehlern auseinanderzusetzen. Und Hertha?

Nach einer drei Jahre währenden Geldverschwendungsorgie, die in die Geschichtsbücher der Bundesliga eingehen wird, sind 374 Millionen Euro größtenteils weg. Windhorsts scheinbar grenzenlose Kohle und die grenzenlose Ambition aller Beteiligten haben den zuvor mediokren Klub nicht stabilisiert, sondern destabilisiert. Die beste Phase in jüngerer Zeit hatte Hertha ironischerweise um 2016 unter dem genügsamen Pál Dárdai. Mit dem großen Geld rauschte der stets nach Aufmerksamkeit lechzende Klub in den Tabellenkeller.

Unsympathen auf beiden Seiten

Es fällt schwer, für eine der verkrachten Seiten Sympathien zu entwickeln. Weder für die alte Hertha um den geschassten Platzhirsch Gegenbauer, dem Windhorst nicht als Erster „Seilschaften und Klüngelei“ vorwirft und den Missbrauch des Vereins als persönliches Spielzeug, und dem es nie gelang, Hertha zum gewünschten Großklub zu machen. Noch für die neue Windhorst-Hertha. Gegenbauer schimpfte öffentlich, Windhorst habe „den Verein angezündet“. Nun, wer sich den Wolf ins Haus holt, muss sich auch nicht wundern, wenn er beißt.

In den vergangenen Jahren hat Hertha sich zu einem schwarzen Loch entwickelt, das auch talentierte Leute wie Geschäftsführer Fredi Bobic zu verschlingen droht. Gleich nach seinem Abschied klagte Retter Felix Magath über fehlende Hilfe im Klub und eine Stimmung nach dem Motto: „Paragraph eins: Jeder macht seins.“ Nicht nur fehlt es an einer Aussicht, wohin sich der Verein nun überhaupt sportlich entwickeln soll, an Geld, das Präsidentenamt ist vakant – die strukturellen Defizite scheinen viel tiefer zu gehen.

Immerhin, bei der Standortsuche für ein neues Stadion stellt der Senat eine neue Option im Olympiapark in Aussicht. Aber in welcher Liga würde Hertha bei der Eröffnung spielen? Viel Geld bei piefiger Struktur, ein überteuerter Kader und wenig Plan: diese Kombination hat schon andere Bundesligisten in den Abgrund gerissen. Oder, um es mit Windhorst selbst zu sagen: „Es ist in der Tat schockierend, dass in so kurzer Zeit so viel Geld verbrannt wurde.“ Ein Abstieg wäre womöglich heilsam. Der heilsame Sturz allerdings ist Hertha verwehrt geblieben.

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Alina Schwermer
freie Autorin
Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de
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