taz-Leser zu deutschem Stolz: Herrn Trittin gebührt großes Lob
betr.: „CDU sucht Krawall“, taz vom 15. 3. 01, „Darf der Jürgen noch Minister sein?“, taz vom 17. 3. 01 u.a.
Herrn Trittin gebührt großes Lob! Endlich jemand, der den auf „christlich“ machenden Glashaus-Insassen deutlich Scheinheiligkeit und äußerst flexible Doppelmoral vorhält. Aufrechte Demokraten à la Trittin sind in der BRD leider Mangelware!
KLAUS TÜRK, Braunschweig
Jürgen Trittin gehört zu den wenigen Politikern, die ihr Engagement für die Minderheiten emotional und rational zum Ausdruck bringen.
[...] Die konservativen CDU-Politiker haben jahrzehntelang die Ausländer beleidigt und kriminalisiert und mit ihrem migrationsfeindlichen und immer wieder verschärften „Ausländergesetz“ ein friedliches Miteinander gefährdet. Wird es eines Tages auch möglich sein, dass CDU/CSU-Politiker sich wegen ihrer permanenten Diskriminierungen, Diffamierungen und Beleidigungen der EmigrantInnen und Flüchtlinge sich bei diesen entschuldigen? Das ist sicher eine wichtige Integrationsvoraussetzung.
KAMBIZ BEHBAHANI, Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft ImmigrantInnen und Flüchtlinge B’90/Grüne Berlin
Trittin hat in einer erleuchteten Stunde die Wahrheit gesagt: Wer stolz ist, Deutscher zu sein, ist ein mentaler Skinhead. Er hätte ebenso gut Arthur Schopenhauer zitieren können:
„Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn er verrät in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er sonst stolz sein könnte, indem er sonst nicht zu dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen teilt. Wer bedeutende persönliche Vorzüge besitzt, wird vielmehr die Fehler seiner eigenen Nation, da er sie beständig vor Augen hat, am deutlichsten erkennen. Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, auf das er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein: hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit, alle Fehler und Torheiten, die ihr eigen sind, (mit Händen und Füßen) zu verteidigen...“ MARTIN BLUMENTRITT, Hamburg
„Deutsche“, und so lautete der Wahlkampfslogan von Willy Brandt richtig, „wir können stolz sein auf unser Land“, ist etwas völlig anderes als das dumpfe „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein“. Und was ist das für ein Humbug, wenn Guido Westerwelle bei Sabine Christiansen verkündet, bloß weil eine kleine Minderheit von Rechtsradikalen diesen Spruch „missbrauche“, könne und wolle er ihn sich nicht verbieten lassen. Hat Westerwelle diesen Gedanken zu Ende gedacht? Ist er sich der Gefährlichkeit seiner Argumentation bewusst? Tritt denn die FDP demnächst auch dafür ein, das Deutschlandlied in allen drei Strophen wieder zur Nationalhymne zu machen? Schließlich hat – im letzten Jahrhundert – Hoffmann von Fallersleben eigentlich etwas sehr Anständiges mit seinem „Deutschland, Deutschland über alles“ gemeint: nämlich nur, dass der Gedanke an die deutsche Einheit allem politischen Handeln voranstehen muss (worauf die CDU für die letzten 50 Jahre ein Monopol beansprucht). Die Nazis haben dieses Lied nur schändlich missbraucht. Dennoch ist es so eindeutig besetzt, dass es als offizielles Erkennungszeichen unseres Landes nicht mehr in Frage kommt. Gleiches muss unter Demokraten für den plumpen Satz „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein“ gelten. Alles andere wertet die Rechten nur unnötig auf und macht ihre Parolen salonfähig. JAN-CHRISTIAN SCHWARZ, Berlin
Laurenz Meyer ist stolz darauf, ein Deutscher zu sein. Ob er uns wohl erklären kann, was er damit meint und worauf sich dieser Stolz im Einzelnen gründet?
Heimatliebe ist gewiss eine lobenswerte Tugend. Aber viele, die sich zu einem solchen Satz bekennen, beziehen sich dabei auf Dinge, zu denen sie selbst nicht das Mindeste beigetragen und zu denen sie nicht einmal eine Beziehung haben. [...] Ich für meinen Teil muss leider bekennen, dass mir der Stolz auf mein Deutsch-Sein seit einiger Zeit abhanden gekommen und einer tiefen Scham gewichen ist.
Oder soll ich vielleicht „stolz“ darauf sein, wie man heute – mehr als ein halbes Jahrhundert nach Kriegsende! – die Forderungen der ehemaligen Zwangsarbeiter abschmettert? Für jahrelange erniedrigende und qualvolle Sklavenarbeit billigt man ihnen eine „Entschädigung“ zu, die etwa dem Monatseinkommen eines Bundestagsabgeordneten entspricht, aber man findet 1.000 Tricks und Finten, um sich selbst um diese erbärmliche Summe noch zu drücken. [...]
Oder soll ich „stolz“ darauf sein, in einem Lande zu leben, in dem ein Bundeskanzler seinen vor dem Deutschen Bundestag – und damit vor dem ganzen deutschen Volk – geleisteten Amtseid geringer schätzt als ein „Ehrenwort“, das er einigen obskuren Geldgebern gegeben hat? Darauf bin ich nicht stolz, sondern es ist mir im höchsten Grade peinlich und unangenehm.
Oder soll ich „stolz“ darauf sein, in einem Lande zu leben, in dem die politische Opposition erregten Anstoß an jugendlichen Verirrungen einiger Mitglieder der gegenwärtigen Bundesregierung nimmt, aber nicht das Geringste an der Nazivergangenheit früherer eigener Regierungsmitglieder auszusetzen hatte, ja selbst deren aktive Verstrickungen in Nazi-Untaten mit einem Mantel verständnisvollen Schweigens umgab? Oder soll ich „stolz“ darauf sein, in einem Lande zu leben, in dem ein prominenter Vertreter einer großen „Volkspartei“ die Verwilderung der politischen Sitten so weit treibt, dass er den amtierenden Bundeskanzler als gemeinen Kriminellen darstellt und dann kaltschnäuzig erklärt, zu einer Entschuldigung sehe er keinen Grund, weil er ja den Bundeskanzler nicht habe beleidigen wollen? Und aufheult wie ein geprügelter Hund, wenn ihm seinerseits dann auch mal Ähnliches widerfährt? [...] ULRICH UFFRECHT, Buxtehude
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