Press-Schlag: Herrliches Gezerre
■ Bibelfester Nationalstürmer im Würgegriff der Millionen
Langsam, liebe Borussen aus Mönchengladbach und Dortmund, reicht es uns. Nach Kräften haben wir uns bemüht, das peinliche Gezerre um den stürmenden Betbruder Heiko Herrlich den ganzen Sommer über zu ignorieren, aber jetzt steht die neue Bundesliga-Saison sozusagen vor der Tür, selbst das Gerangel um die Rückennummern ist beendet, und was tut Herrlich? Er trainiert bei Fortuna Köln. Sehr zum Entsetzen der Verantwortlichen von Borussia Mönchengladbach, die den abtrünnigen Kicker eigentlich noch in ihrem Verein wähnen.
Mein Gott, so schwer kann es doch nun wirklich nicht sein, einen Fußballer von einem Verein zu einem anderen Verein zu transferieren – gültiger Vertrag hin oder her. Mal ehrlich, es ist doch alles nur eine Frage des Geldes. Vor allem für Heiko Herrlich, der lange genug in Leverkusen gespielt hat, um zu wissen, wie vergänglich fußballerischer Ruhm ist. 20 Tore hat er in der vergangenen Bundesliga-Saison für Gladbach geschossen, einige Länderspiele absolviert, und wer weiß, ob die Gelegenheit, mal so richtig abzusahnen, jemals wiederkommt. In Gladbach hätte er einen Stammplatz, in Dortmund aber winkt die große Kohle, auch wenn er sich dort im Fußumdrehen auf der Ersatzbank wiederfinden kann. Keine Frage für den 23jährigen, welche Option er vorzieht, zumal er glaubte, jederzeit aus seinem Vertrag aussteigen zu können. Dies habe ihm Gladbachs Manager Rolf Rüßmann zugesichert.
Leider vergaß Herrlichs „Berater“, eine solche Klausel in den Vertrag aufnehmen zu lassen, und Rüßmann vermag sich, so scharf er auch nachdenkt, an eine entsprechende Zusage nicht zu entsinnen. Statt dessen spielt er den Moralapostel. Wenn gültige Verträge nicht mehr zählten, sei dies „eine Katastrophe für den Fußball“, scheinheiligt er drauflos und findet: „Das einzig richtige wäre, Herrlich in Gladbach auf die Tribüne zu setzen.“ Andererseits dürfe man nicht „so töricht sein und die aktuelle Entwicklung außer acht lassen.“ Mit anderen Worten: er will Geld. Viel Geld, und für einen Spieler, der zwei Jahre auf der Tribüne oder dem Trainingsplatz von Fortuna Köln verbracht hat statt im Trikot der Nationalmannschaft, zahlt niemand gern Millionensummen.
Herrlich sei „verbissen und verbohrt und enttäuscht“, stellt auch Trainer Bernd Krauss fest, in Mönchengladbach jedenfalls hat er keine Zukunft mehr. Es geht also nur noch um die Ablösesumme, und hier kommen die Dortmunder ins Spiel. Die schwimmen im Geld, seit sie Meister sind und auf fette Einnahmen in der Champions League bauen können. Aber sie geben es nicht gern her. Als marodierende „Geldsäcke“ hatte sie Rüßmann gescholten, sobald ihr Interesse an Herrlich bekanntgeworden war, doch die Ruhrborussen waschen ihre Hände in Unschuld. Schließlich sei Herrlich auf sie zugekommen und habe sozusagen um gnädige Aufnahme gebeten.
Den Geldsack möchten sie ohnehin möglichst geringfügig öffnen. 8,5 Millionen Mark Transfergebühr, lautet der Vermittlungsvorschlag des DFB, doch Gladbach will einen zweistelligen Millionenbetrag. „Wenn man sieht, daß Dortmund einst für einen 28jährigen Riedle neun Millionen hingeblättert hat, ist es legitim, für einen 23jährigen Nationalstürmer mehr zu erwarten“, sagt Präsident Karl-Heinz Drygalsky nicht ganz zu Unrecht. Aber so viel will der BVB nicht zahlen, und wieder einmal droht er an seiner Knausrigkeit zu scheitern. Sollte bis Montag keine Einigung erzielt werden, geht der Fall vor das Arbeitsgericht, und der Transfer könnte wohl erst nach dem 15. August stattfinden, dem Stichtag für Herrlichs Teilnahme an den Gruppenspielen der Champions League. Ähnliches war den Dortmundern schon im Falle Sammer passiert, als sie so lange mit Inter Mailand pokerten, bis der Spieler nicht mehr im UEFA-Cup eingesetzt werden konnte.
Aber vielleicht geht der Meister ja auch gänzlich leer aus, denn, so Rüßmann, wenn es keine Einigung mit Dortmund gäbe, könne man schließlich auch „den internationalen Markt öffnen“. Aber bis dahin befindet sich Heiko Herrlich vermutlich längst im Kloster oder wird auf Befehl der FIFA für zwölf Millionen – zahlbar zu gleichen Teilen von den beiden Borussias – zu Fortuna Köln transferiert. Matti Lieske
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