Herr Carotta hat nicht Recht

betr.: „Jesus hat nie wirklich existiert“, taz vom 12. 4. 01

[...] Völlig überzeugend finde ich die zahlreichen stichhaltigen Gründe, die belegen, dass eine Person wie Jesus von Nazareth nicht gelebt haben kann; und in der Tat, anzunehmen, dass ein Jude aus Galiläa Ursprung einer Religion wie des Christentums sein könne, die sich mit der von Carotta erwähnten Wucht ausbreitet (ausgehend von Palästina und unter dem Judentum nahe stehenden Gruppen), ist wirklich absurd!

Allerdings scheint mir, dass eine andere Person als Cäsar viel wahrscheinlicher das tatsächliche Vorbild für die Erzählungen der Bibel ist; ich spreche von Julchen Cowalski, die von der unterdrückerischen theologischen „Forschung“ so intrigant verschwiegen wurde, dass kaum jemand ihren Namen kennt, geschweige denn ihren Lebenslauf als polnische Migrantin im Ruhrgebiet. Folgende gute Gründe belegen dies: 1. Julchen war in ihrer ganzen Famile für ihr Nettsein bekannt. Zum Beispiel sagte sie über den Krieg: „Feinde sind doch auch Menschen!“ („Jesus“ laut Bibel: „Liebet eure Feinde!“). 2. Die Lebensläufe gleichen sich bis aufs Haar: Julchen stammt aus Galizien in Polen (Jesus aus Galiläa); Julchen musste um 1870 ins Ruhrgebiet emigrieren (Jesus nach Ägypten)! Dass Julchen eine Frau war, Jesus aber angeblich ein Mann, muss uns nicht stören: Die Wörter für Frau und Mann sind im Hebräischen, das sie und ihre JüngerInnen vom Studium der hebräischen Bibel her kannten, nur durch ein „a“ am Ende unterschieden. So ein Fehler kann schon mal vorkommen, wenn nicht sogar patriarchale Interessen der Kirche dahinter stecken. Dass offenbar starke Interessen hinter der veränderten Geschichte stehen, zeigt sich schon daran, dass 1.800 Jahre Kirchengeschichte schlicht dazuerfunden wurden!

3. Julchen Cowalski starb an ihrem Kreuz (sie hatte es jedenfalls böse im Kreuz, und nach einem schlimmen Hexenschuss starb sie bei einem Treppensturz). Dafür war klar ihr Arbeitgeber Karl Hermann Pilzmann (als drei fiktive Personen verschlüsselt als Kaiphas, Herodes und Pilatus) verantwortlich, der sie trotz Krankheit zur Arbeit zwang.

Auch wenn man sich – trotz all dieser Hinweise – nicht einig ist, ob Julchen Cowalski oder Julius Cäsar das Vorbild waren: Herr Carotta hat mit seinen seriösen Vermutungen wohl recht eindeutig nachgewiesen, dass, entgegen den samt und sonders bewusst oder irrtümlich falsch abgefassten Quellen, Jesus unmöglich gelebt haben kann. Für diesen Aufklärungsdienst kann man ihm wohl kaum genug danken. CHRISTOPH GREVELS, Duisburg

[...] Über Jesus zu schreiben, scheint immer noch interessant zu sein, gerade auch in atheistischen Kreisen. Dagegen ist nichts zu sagen. Aber die Aussagen sollten ein bisschen besser fundiert sein als das, was Herr Carotta nun als neue Wahrheit verkündigt.

[...] Da wird der bekannte Spruch Cäsars zitiert: „Veni, vidi, vici“, und der Satz „Ich ging hin und wusch mich und ward sehend“ gegenübergestellt. Dieser zweite Satz ist kein Wort Jesu, allenfalls der Bericht eines Menschen, der durch Jesus von Blindheit geheilt worden ist. Außer dem Satzbau haben diese beiden Sätze überhaupt keine Parallelen. Oder: Die „besetzten“ Städte bzw. „besessenen“ Menschen, was haben die gemein? Von Cäsar wissen wir, dass er Städte und Länder in Besitz genommen, also besetzt hat. Von Jesus wird erzählt, dass er kranke Menschen, auch solche, die man von bösen Geistern „besessen“ nannte, geheilt, also von diesen Mächten befreit hat. Wo ist da die Parallele oder Symmetrie?

[...] Cäsar wurde zum Gott gemacht, seine Nachfolger mussten als Götter verehrt werden. Die Nachfolger Jesu, die die Verbeugung vor diesen staatlich verordneten Göttern verweigerten, sind blutig verfolgt worden. Ich bin keine Theologin, aber ich kann mir vorstellen, dass später, als das Christentum zur Staatsreligion wurde, die alte Kirche Teile der „staatlichen Liturgie“ in ihre Gottesdienstformen übernommen hat. Von daher mögen die Irrtümer des Herrn Carotta verständlich sein.

Jeder wahrhafte Vergleich der beiden Gestalten macht deutlich: Cäsar war ein Staatsmann und ein Feldherr, Jesus aber war ein „Nobody“. Dass dieser Nobody Gottes Sohn und Retter der Welt sein soll, war schon in der Zeit von Paulus „den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit“. Für uns „Nobodies“ aber ist es nach wie vor das Evangelium, die gute Nachricht, die große Hoffnung, die uns diese Welt – trotz allem – lieben lässt. Wäre er Cäsar, müssten wir ihn fürchten. Zum Glück hat Herr Carotta nicht Recht. GERTRUD HARTMANN, Reutlingen