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Archiv-Artikel

Herne bleibt kopftuchfrei

Herner Erzieherinnen dürfen schon jetzt kein Kopftuch mehr tragen, obwohl das nordrhein-westfälische Gesetz noch längst nicht verabschiedet ist. Die Grünen kämpfen gegen den Alleingang

VON ANNIKA JOERES

Herner Schülerinnen und Schüler werden bis zur Grundschule keine Pädagoginnen mit Kopftuch sehen: In der SPD-regierten Stadt herrscht ein Kopftuchverbot in Kindertageseinrichtungen. „Kinder und Jugendliche sind noch viel zu sehr zu beeinflussen“, sagt Hernes Sprecherin Jutta Daniel. Deshalb dürfe keine Erzieherin ihren muslimischen Glauben zur Schau tragen. Die Stadt weiß die Elternschaft hinter sich: „Sie haben alle sehr positiv reagiert.“ In der Verwaltung im Rathaus sei das Tuch allerdings kein Thema mehr, denn Erwachsene „können selbst beurteilen und sich entsprechend wehren.“

Wehren wollen sich auch die Grünen. Sie haben nun für die nächste Ratssitzung am 8. Juni eine Anfrage gestellt. „Es gibt nach wie vor keine rechtliche Grundlage für das Verbot“, sagt die grüne Abgeordnete Gerhild Nett-Kramer. Im Sinne der Religionsfreiheit dürfe niemandem der Zugang zu öffentlichen Institutionen verwehrt werden. „Eine Ausgrenzung von Kopftuchträgerinnen würde den Fundamentalisten in die Hände spielen“, sagt Nett-Kramer.

Das Innenministerium möchte sich zu der Herner Debatte nicht äußern. Bisher habe man auch noch von keiner Kommune gehört, die ein lokales Kopftuchverbot eingeführt hätte. „Bei städtischen Angestellten ist die Kommune ihr eigener Herr“, sagt Sprecherin Angelika Flader. Und bisher sei noch nicht einmal klar, ob es überhaupt ein Gesetz zum Kopftuchtragen auf Landesebene geben wird. „Der Prozess ist völlig offen.“

Hintergrund der „Kopftuch-Debatte“ ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom September 2003. Demnach dürfen die Bundesländer muslimischen Lehrerinnen das Kopftuchtragen im Unterricht verbieten. Dazu müssen die Länder jedoch eine gesetzliche Grundlage schaffen. Daraufhin haben unter anderem Hessen, Bayern und Baden-Württemberg Gesetzesvorhaben zum Kopftuchverbot auf den Weg gebracht, in NRW ist sich die rot-grüne Koalition noch nicht einig: Die Landtagsfraktion der Grünen lehnt, ebenso wie ihre Herner KollegInnen, eine „Lex Kopftuch“ ab, die SPD hingegen spricht sich mehrheitlich für ein Verbot aus.

Die MuslimInnen in Herne sind sauer über das kommunale Verbot. „Wir als Experten wurden nicht gefragt“, sagt Memis Sahin, Vorsitzender des Ausländerbeirates. Die PolitkerInnen hätten einfach eine Entscheidung getroffen, ohne sich mit dem Thema auseinander zusetzen. Für Sahin ist das Kopftuchverbot ein Rückschritt für die Rechte der muslimischen Frauen, sie würden diskriminiert und könnten noch schlechter integriert werden. „Wir müssen gucken was im Kopf passiert, nicht was oben drauf ist.“

Einer kopftuchtragenden Erzieherin aus Herne wurde allerdings nicht in den Kopf geguckt: Sie durfte ihr Pflichtpraktikum in einer städtischen Kindertagesstätte nicht absolvieren.