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Herausforderer von Israels PremierDie Antithese des Likud

Schon bei den Vorwahlen 2008 und 2012 war Gideon Saar Netanjahu gefährlich geworden. Dass er gegen Bibi antritt, bedeutet aber noch nicht dessen Ende.

Stellt sich seinem Parteifreund Netanjahu entgegen: Gideon Saar Foto: reuters

Tel Aviv taz | Bisher hat nur einer es gewagt, Benjamin Netanjahu offen um den Parteivorsitz herauszufordern. Gideon Saar wird in den parteiinternen Vorwahlen des Likud am 26. Dezember gegen Netanjahu antreten. Zuvor hat er den langjährigen Ministerpräsidenten dafür kritisiert, die Anklagen gegen ihn wegen Betrugs, Bestechung und Untreue als „Putsch“ zu bezeichnen. Im Gegensatz zu Netanjahu, der bereits zweimal an der Regierungsbildung gescheitert war, werde er „im Handumdrehen“ eine Regierung auf die Beine stellen können, so Saar. Prompt wurde Netanjahus parteiinterner Rivale von einer Reihe von Likudniks als Verräter bezeichnet.

Nicht nur Saar selbst, auch seiner Familie wurde zur Zielscheibe von Beschimpfungen. Netanjahus Sohn, aber auch die ultrarechte Organisation Lehava, die persönliche und geschäftliche Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden ablehnt, forderten Saar auf, die Beziehung zwischen seiner Tochter und ihrem palästinensischen Partner, dem bekannten Schauspieler Amir Khoury, zu unterbinden. „Haltet euch aus ihren Angelegenheiten raus!“, war seine Reaktion. Seiner Frau, der bekannten Journalistin und Fernsehmoderatorin Geula Even-Saar, wurden linke Positionen unterstellt – in den Augen des Likud selbstverständlich eine Beleidigung.

Der 53-jährige Saar gilt für viele aus der politischen Mitte als Antithese zu Netanjahu: Sein Auftreten ist staatsmännisch, im Gegensatz zu Netanjahu ist er dafür bekannt, fair nach den Regeln zu spielen. Sein Verhältnis zu den Medien ist hervorragend, nicht nur seine Frau, auch er selber war für kurze Zeit Journalist. Als sein Vorbild gilt David Ben Gurion, zu dem er auch eine persönliche Beziehung hatte: sein Vater war der Arzt des israelischen Staatsgründers.

Saar gilt als politisch flexibel. Als Bildungsminister hat der vierfache Familienvater nach den Sozialprotesten 2011 die teuren Kindergartengebühren für Kinder ab drei Jahren abgeschafft. Darüber hinaus ist er mit einem Gesetzesvorschlag in die Offensive gegangen, laut der Arbeitgeber bestraft werden sollen, die schwangeren Frauen kündigen.

Doch neben diesen liberalen Positionen pflegt Saar rechte Positionen, die denen Netanjahus sehr nahe kommen. Er unterstützt eine Annexion des Jordantals, spricht sich gegen einen palästinensischen Staat aus und forderte, dies zu einer offiziellen Likud-Position zu machen. Als Innenminister unter Netanjahu war er mit verantwortlich für die Einrichtung eines Internierungslagers in der Negev-Wüste, wo Tausende Asylsuchende eingesperrt wurden.

Des Putsches beschuldigt

Im September 2014 kündigte Saar eine Auszeit von der Politik an. Die Gründe dafür gab er nicht öffentlich bekannt. Drei Jahre später, im April 2017, folgte sein Comeback in die Politik. Netanjahu, dem sein einstiger Zögling in den Vorwahlen 2008 und 2012 gefährlich geworden war, verweigerte ihm einen attraktiven Listenplatz und beschuldigte ihn, einen Putsch gegen ihn zu planen.

Umfragen sagen für die Vorwahlen – trotz der Anklagen gegen den Ministerpräsidenten und seinem zweifachen Scheitern an einer Regierungsbildung – einen Sieg für Netanjahu voraus. Saars Kampagne gibt sich aus strategischen Gründen versöhnlich und kämpferisch zugleich:. „Netanjahu ist ein König. Aber manchmal ist auch der König blockiert. Für Gideon Saar zu stimmen, bedeutet die Linke Schachmatt zu setzen.“

Selbst wenn Netanjahu aller Voraussicht nach als Kandidat für die dritten Wahlen im März 2020 antreten wird – Gideon Saar sichert sich mit seinem Vorstoß bereits für die Zukunft seinen Platz in der Pole Position in der Ablöse von Netanjahu.

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1 Kommentar

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  • Mit Saar käme für Linke auch ein Anfang einer tieferen Integration der Palästinenser im Staat Israel. Seine Tochter ist ja liiert mit einem Palästinenser und er äußert dagegen keine Einwände. Psychologisch wäre damit das Eis zu einem gemeinsamen Staat gebrochen. Für konservative Juden, wie schon bemerkt, ein Sakrileg, das Volk der Juden nach der Shoa zu bewahren, haben sie viel Mühen auf sich genommen. So wird ausgerechnet Saar zur Gretchenfrage für den Staat Israel, über die sie abstimmen können. Also doch ein gemeinsamer Staat mit den Palästinensern, bei dem Juden, Christen und Muslime ein Staatsvolk bilden? Das gibt es so zwar schon, entspricht aber nicht dem mehrheitlichen emotionalen Selbstverständnis oder eben doch. Die Perspektive mit Saars Toleranz auch mit dem Libanon, Jordanien und Ägypten in eine engere Bindung zu treten mag locken. Die Idee von einem jüdischen Staat nur für Juden oder besser primär für Juden, wäre, wenn auch nur anfänglich, in eine andere Bahn gelenkt. Nur, ist soviel Toleranz auch bei den Palästinensern zu finden? Vielleicht würde eine emotionale Barriere einbrechen, aber wirklich, was wird aus dem jüdischen Volk, wenn das schon ein oberer Weg ist? Jeder Mensch ist frei zu heiraten, wen er will und Geschäfte zu machen, mit wem er oder sie will oder nicht will. Ein kleines Detail mit großer Wirkung, das Saars Tochter einen palästinensischen Freund hat. Vermutlich geht die Partie deshalb wieder an den bisherigen PM, an Netanjahu.