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Henning HarnischSchütteln und Backen

■ Diese Sache liegt mir ausgesprochen am Herzen

„Trainierst du eigentlich ab?“ So klang es in meinen Ohren nach, wenn ich als Ex-Leistungssportler unmotiviert durch den herbstlichen Park trabte, abends im Bett herzliche Töne mit der Größe meines Sportlerherzes in Verbindung brachte und die gerauchte Zigarette in meinem Körper ihre kriminellen Runden drehte. „Trainierst du eigentlich ab?“ wurde von mir als verschlüsseltes „Du willst doch nicht sterben, oder?“ begriffen und tauchte als direkte Ansprache unverschlüsselt in den unzähligen Artikeln über den plötzlichen Tod durch Herzversagen von viel zu vielen jungen, sporttreibenden Menschen auf. Meine nur schwach ausgebildete hypochondrische Ader wurde durch eine diffuse Melange aus Riesenherzen, verschleppten Infektionen und modernen Dopingmethoden stark stimuliert und ließ mich über die mir verbleibende Zeit sinnieren.

Ich hätte gewarnt sein müssen, denn schon vor zehn Jahren erwischte es beinahe meine beiden besten Freunde Lutz und Gunter. Bakteriell bzw. viruell bedingt entzündeten sich beider Herren Herzen innerhalb kürzester Zeit, auch sie Sportler von ganzem Herzen und mit Anfang 20 scheinbar kerngesund. Nur durch Unmengen von Antibiotika bzw. Beta-Blockern wurden sie damals gerettet und können erst jetzt lässig erzählen, warum alkoholfreies Licher-Bier das beste seiner Art ist.

Bevor ich den klärenden Termin beim Kardiologen beantragte, hatte ich zum Glück die Möglichkeit, mit Hiemer Jörg, dem Geschäftsführer der Eishockeyspieler-Gewerkschaft, zu sprechen. Hiemer, ein bayerischer Pfundstyp, konfrontierte mich, den weicheiigen Basketballer, mit der Realität der Eishockeyspieler. Dort sind in diesem Jahr schon zwei Spieler an Herzversagen gestorben, was den Ex- Spieler Hiemer in Rage bringt: „Eine Frechheit ist das, erst müssen welche sterben, bevor über die Ursachen nachgedacht wird. Einen standardisierten Herz- Kreislauf-Test braucht's, einmal im Jahr durchgeführt werden müßte der. Das müßte das Minimum sein!“

Genau, sage ich jetzt, denn zum Zeitpunkt unseres Gespräches war ich zu sehr mit meinem eigenen Herzen beschäftigt sowie zu stark durch Physis und Tatendrang des energischen Hiemer beeindruckt, um ihn emphatisch zu unterstützen. Sieht man einmal davon ab, daß im harten Eishockey anders gespielt wird – nämlich solange einer auf Kufen stehen und den Schläger halten kann, Grippe hin, Grippe her –, bleiben doch die gleichen Herzen. Diese könnten kostenfrei in den Landesleistungszentren, die von den diversen Kadern der Nationalmannschaften seit Jahren (leider nur unregelmäßig) in Anspruch genommen werden, auch von den Vereinen getestet werden. Belastungs-EKG, Ultraschall und eine Blutuntersuchung, zusammengefaßt als Herz-Kreislauf-Untersuchung, würden das Berufsrisiko extrem minimieren und den stillen Infarkt oder ähnlichen Horror verhindern. Bisher geschieht das kaum. Dabei sollte diese Untersuchung, in Verbindung mit verantwortungsbewußten Trainern und Vereinsärzten, nicht nur für Profivereine Pflicht und Routine sein, sondern vom Deutschen Sportbund als Voraussetzung für die Teilnahme am Spielbetrieb gefordert werden.

Der Test ist, wie ich dann selber herausfinden konnte, interessant (Ultraschall), anstrengend (Belastungs-EKG) und vor allen Dingen aufklärend (Herzgröße). Mein Herz ist nach der Auskunft des Herzspezialisten für einen Sportler nämlich recht klein, kann deswegen nicht verfetten und – was das Wichtigste ist – muß nicht abtrainiert werden.

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