: Help!
■ Das Buch zur Kunstschau: „Die Beatles und ich“, ein Aufruf zur Sammlung
„Hildegard hieß sie. Frühreif, jünger und auch viel älter als ich, in breiten schwarzen Schlaghosen fixierte sie mich, den Nachbarsjungen, mit verschatteten, sündhaft grünen Sphinxaugen und lud mich wortlos, aber unmißverständlich ein ins hohe Gebüsch.“
Ja, das waren noch Zeiten. Sommer, Sonne, die Beatles, und all die Hildegards. Thomas Mense weiß es noch wie gestern.Wer käme da nicht ins Schwelgen? Mense jedenfalls kommt gewaltig, und mit ihm 32 weitere Autoren , ein paar Autorinnen sind dann aber schon auch dabei; allesamt erinnern sie sich pünktlich zur John-Lennon-Schau der Bremer Kunsthalle ihrer Jugend, der allemal wilden; alles untermalt von „Yeah! Yeah! Yeah“-Gebrüll: „Die Beatles und ich“.
„Irgendeine Begegnung mit den Beatles“, rechtfertigt der Pendragon-Verlag seine Textsammlung, „hat wohl jeder“. Aber nicht jeder kann so hemmungslos in Sentimentalitäten herumwühlen wie jene Beatlesfans, die für dieses Bändchen zusammengesucht wurden. Besinnungs- und Sülzspezialisten vom Kaliber eines Volker Kriegel, Klaus Hoffmann und Hadayatullah Hübsch dürfen hier mal richtig die geblümten Hosen runterlassen: „Und als ich so schön am Berge saß, da ertönte aus allen vier Lautsprechern die Hymne meines Lebens“, sinniert Klaus H. über „All You Need Is Love“ und sein Coming-Out als guter Mensch.
Da wird – einmal noch, und sei's im Geiste – gegen Eltern, Schule, Uni und das Establishment rebelliert, bei ständig aufgedrehten Lautsprechern natürlich. Da wird heimlich geraucht, getanzt, und dann die Mädchen, die Mädchen ...
So freimütige Bekenntnisse unserer altersgeilen Frühvergreisten bekommt man selten zu lesen. Nur einer mogelt sich mal wieder fein raus: Erz-Satiriker Richard Kähler. Er weist endlich lupenrein nach, daß John Lennon schlicht „eine hilflose Nuß“ war (vgl. „Help!“) – und man ihn allein deswegen liebhaben mußte. Der Rest des Buchs versinkt wieder in besinnungsloser Besinnungshuberei.
Thomas Wolff
„Die Beatles und ich“, Hrsg.: Günther Butkus, Pendragon Verlag, 36 Mark
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