: Helmut Pohl fordert Auflösung der RAF
Der RAF-Sprecher des Hungerstreiks von 1989 verurteilt Anschläge seit Mitte der achtziger Jahre als „Aneinanderreihung von Erschießungen“. Priorität: Vorbereitung auf die Freiheit ■ Von Gerd Rosenkranz
Berlin (taz) – Der Gefangene der Roten Armee Fraktion (RAF), Helmut Pohl, hat die noch im Untergrund lebenden Gruppenmitglieder aufgefordert, „ihre Auflösung als RAF zu erklären“. Dies sei auch der ausdrückliche Wunsch anderer RAF-Gefangener, sagte der zu lebenslanger Haft verurteilte Pohl in einem Interview in der Juniausgabe von Konkret.
Der im hessischen Schwalmstadt inhaftierte frühere RAF-Aktivist, seit Ende der achtziger Jahre einer der profiliertesten Sprecher der Gefangenengruppe, kritisiert scharf die Anschläge seit Mitte der achtziger Jahre. Es habe sich nur noch um eine „Aneinanderreihung von Erschießungen“ gehandelt, „Bestrafungsaktionen“, die politisch keinerlei Beziehung mehr zur Realität gehabt hätten.
Nach Angaben von Pohl habe die Gefangenengruppe intern bereits seit 1987 unter dem Stichwort „Zäsur“ begonnen, auf eine grundlegende Transformierung der RAF hinzuwirken. Insbesondere sei es darum gegangen, die Gleichsetzung von RAF mit „bewaffnetem Kampf“ zu beenden und aus ihr eine politische Kraft zu entwickeln, die auf die „neue politische Situation“ zum Ende der achtziger Jahre einwirken sollte. Aber eine Auseinandersetzung darüber kam nicht zustande. Als die Untergundgruppe 1992 mit ihrer Deeskalationserklärung die Serie tödlicher Anschläge endlich beendet habe, habe „sich der Rest in Luft aufgelöst“.
Pohl erinnert in dem Interview daran, daß die Gefangenengruppe während ihres letzten gemeinsamen Hungerstreiks von 1989 versucht habe, einer grundsätzlichen Neuorientierung zum Durchbruch zu verhelfen. Doch habe man sich nicht durchringen können, das Konzept der RAF ihrem Umfeld aus dem Gefängnis heraus aufzudrücken: „Wir haben damals gedacht, damit dringen wir nicht durch.“
Der Bundesanwaltschaft wirft Pohl vor, sie wolle vor allem „die politische Feinderklärung fortwirken lassen“, indem sie den Gefangenen trotz gegenteiliger Informationen immer wieder den Stempel der „Hardliner“ aufdrücke. Deutlich rückt Pohl von der jahrzehntelang erhobenen Forderung nach einer Zusammenlegung der Gefangenen ab. Wichtiger seien jetzt Hafterleichterungen; zur Vorbereitung auf die Freiheit, für die die Gefangenen nach wie vor als Kollektiv kämpften.
Der 52jährige Helmut Pohl sitzt seit 1984 wegen des RAF-Anschlags auf die US-Airbase in Ramstein (1981), bei dem 17 Menschen zum Teil schwer verletzt wurden, eine lebenslange Freiheitsstrafe ab. Außer ihm sind derzeit noch weitere elf RAF-Gefangene in Haft.
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