piwik no script img

Hells Angels Gründer gestorbenEchte Hells Angels mit echten Tränen

Der Berliner Hells Angels Mitbegründer Frank Weber ist verstorben. Hells Angles Mitglieder reisten aus Europa und USA nach Berlin um an der Trauerfeier teilzunehmen.

Von Neukölln nach Schöneberg fuhren die Hells Angles in Begleitung der Polizei Foto: dpa | Paul Zinken

Berlin taz | Neben fünf Polizeiwagen parken etliche Motorräder vor dem ehrwürdigen Fuhrunternehmen Gustav Schöne am Neuköllner Richardplatz. Die Firma ist ein sogenanntes „Bestattungsfuhrwesen“: Sie führen nicht selbst Bestattungen durch, sondern transportieren Verstorbene auf ihrer letzten Reise in die ewige Ruhe – und das seit 1894. Ein Familienunternehmen.

Am Wochenende tummeln sich tätowierte Männer in Lederwesten vor dem Fuhrunternehmen. Auf den Westen sind Patches genäht oder vielleicht sogar auch aufgebügelt: Ost-Berlin und Cottbus steht darauf. Sie rauchen, stehen herum und sitzen auf ihren Motorrädern – übrigens alle von der Marke Harley Davidson – und starren auf ihre Smartphones. Sie scheinen auf etwas zu warten.

Einige schauen traurig auf den Boden, einige haben Tränen unter ihren Augen tätowiert, wobei eigentlich auch echte Tränen über ihre Wangen kullern. Zwei Männer begrüßen sich mit einem Handschlag: „Mensch, du auch hier? Wir haben uns auch seit Jahren nicht mehr jesehen. Und jetze hier, ey. Der Weber bringt uns zusammen. Wie immer …“ Sie umarmen sich innig, klopfen sich gegenseitig auf die Schultern.

Die Rocker, die sich hier wie Brüder fühlen, sind aus allen Ecken Europas, den USA, Cottbus und Berlin angereist, um um Frank Weber zu trauern. Weber hatte 1990 mit Micha und Wanne den Berliner Ableger der Hells Angels gegründet. Nun ist er mit 66 Jahren verstorben.

Die FAZ taufte das Trio 2010 die „unheilige Dreifaltigkeit“. Aber Weber war nicht nur Mitbegründer, er war ein echter Kreuzberger, ein Kind der Waldemarstraße. Ein Rocker der alten Schule eben, jemand, der den Staub des Kottbusser Tors genauso in den Lungen hatte wie den Motorenlärm, so heißt es zumindest in anderen Medien. Sein erstes Bikerclub-Abenteuer begann 1977. Kotti war sein Revier, „die kleine Insel mit Bikern und Hippies“. Frei und ungezähmt eben.

Hinter den verschlossenen Toren von Gustav Schöne sind Reden zu hören. Ein schwarzes Banner mit Frank Webers Gesicht ist aufgehängt. Die Trauerfeier ist zu Ende. Sie fahren los, die Biker und die Polizisten in einer Kolonne von Neukölln nach Schöneberg in die Großgörschenstraße, wo sich auch Gräber anderer Hells-Angels-Mitglieder befinden. Auch harte Kerle weinen eben, und auch sie kommen irgendwann in die Jahre. In letzter Zeit waren die Hells Angels nicht mehr wirklich präsent in den Medien. In den 90ern und Nullerjahren sah das noch anders aus. Ihre legendären Rockerkneipen und Werkstätten sind auch der Gentrifizierung zum Opfer gefallen. Vielleicht aber wurde auch nur die Ära des tätowierten Angst einflößenden Rockers nun ersetzt durch die der Großfamilienclans. Nun ist einer der wichtigsten Kreuzberger Engel in der Hölle.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • "In letzter Zeit waren die Hells Angels nicht mehr wirklich präsent in den Medien."

    Das heißt aber nicht, dass sie weg sind, sie sind nur schlauer und vorsichtiger geworden.



    Bei uns in der Stadt weiß jeder, dass die noch überall ihre Finger mit drin haben, man sieht sie regelmäßig wenn große neue Restaurants und Steakhäuser eröffnen, diverse Tatoostudios gehören auch dazu, einige Stadtbekannte Mitglieder haben Handwerksfirmen und Hausmeisterservices, man versucht es unter einem legalen Deckmantel um nicht aufzufallen