Helgoland warnt nicht vor Robbenbiss: Begegnung mit Raubtieren
Wer vor Helgoland badet, kann dabei Robben begegnen – und von ihnen gebissen werden. Die Kurverwaltung warnt mit Flyern, aber am Strand fehlen Schilder
Zurück am Ufer, sieht mein Mitschwimmer die kleine blutende Wunde an seinem Bein. Er will sie einem Bademeister zeigen. Oben, am Rand der Dünenhügel, gibt es eine DLRG- Station. Der Mitarbeiter reicht ein Spray zum Desinfizieren und fotografiert die Wunde – für die Statistik, wie er sagt.
Die Kegelrobben haben ein paar Hundert Meter weiter ihren Liegeplatz. Ältere Tiere blieben zu den Badenden auf Abstand, sagt der DLRG-Mann. Doch zu dieser Tageszeit kämen häufiger einige Jungbullen näher. Im Frühjahr hätten Menschen die Robben gefüttert, die Nähe der Tiere gesucht und sie so an Menschen gewöhnt.
Auf Helgoland kann man beim Baden auf Robben treffen, das ist bekannt. Aber dass das zum Problem für Schwimmer werden kann, ist für meinen Begleiter, der hier seit seiner Kindheit schwimmt, „ein Schock“.
Auf der Fähre zur Insel ermahnt eine Durchsage, am Strand stets 30 Meter Abstand zu den Tieren zu halten. Und auch am Anleger fordern Schilder die Menschen zum Abstandhalten auf. Doch was Badende tun sollen, wenn Robben auf sie zuschwimmen, steht dort nicht. „Na, die Robben halten sich im Wasser eh nicht an den Abstand“, spottet eine Touristin.
Eher zufällig finden wir im Dünenrestaurant einen Robben-Flyer „Robben erleben“ mit Tipps. Und dort steht erst unter Punkt 7, „Baden gehen“: „Wenn Ihnen im Wasser eine Robbe sehr nahe kommt, animieren Sie sie bitte nicht zum Spielen. Verlassen Sie das Wasser, nach kurzer Zeit verliert das Tier das Interesse, und Sie können weiterschwimmen.“ Und darunter: „Bei evtl. Verletzungen wenden Sie sich bitte an die DLRG-Teams.“ Klare Ansage. Doch am Strand finden sich keine solchen Schilder.
„Das Thema ist etwas heikel“, sagt Tourismusdirektor Klaus Furtmeier. Weitere Schilder zur Robbenproblematik seien grundsätzlich in Planung. „Es ist natürlich an einem ausgewiesenen Badeort nicht ohne Brisanz, wenn man auf im Wasser schwimmende Kegelrobben, immerhin Deutschlands größtes Raubtier, hinweist. Es mag Gäste geben, die Robben als störend empfinden“, sagt er. Andere Gäste wiederum suchten gerade die Interaktion mit den Tieren im Wasser. „Letztlich entscheidet jeder Badende selbst, wie er mit der Situation umgehen will.“
Dass Robben sich Badenden nähern, sei schon seit Beginn der 1990er-Jahre so. „Doch die Population wächst, in diesem Winter gab es mit 317 Geburten einen Zuwachs von 30 Prozent gegenüber der letzten Wurfzeit.“ Durch den begrenzten Platz, besonders bei Hochwasser, bekämen die „Lütten“ schnell Kontakt zu den Menschen, entwickelten „weder Scheu noch Angst“, ergänzt Katharina Tilly, die seit Oktober 2015 als gemeindliche Dünen-Rangerin das Naturschutzgebiet mit betreut.
Etwas verschärft habe sich das Problem mit Kratzern und leichten Bissen nach Beobachtung der Dünen-Mitarbeiter durch Schwimmer und Schnorchler im Neoprenanzug. „Wir gehen davon aus, dass gerade diese Gruppe die Interaktion mit den Tieren bewusst sucht“, sagt die Dünen-Rangerin. „Vermeintlich geschützt vom Anzug, lässt man die Tiere schon mal näher an sich ran“. Allerdings könnten Tiere wohl nicht „zwischen Badenden in Neopren und ‚bloßer Haut‘ unterscheiden“, so die studierte Landschaftsökologin.
Die Aufforderung, Verletzungen zu melden, gebe es, um einen Überblick über Art und Weise zu bekommen, erklärt Furtmeier. Zudem könne es angezeigt sein, die Wunde zu desinfizieren. Seit Beginn der Badesaison im Juni seien 13 Fälle registriert. Das sei eine ähnliche Zahl wie in den Vorjahren und gemessen an der Zahl der Badegäste „Einzelfälle“. Zumeist handele es sich um „kleine Kratzer und geringfügige Bisswunden“, wie sie auch beim Spielen mit Hunden entstehen könnten.
Gemeinsam mit Wissenschaftlern und dem Verein Jordsand berate man seit einigen Jahren auf „Kegelrobbenworkshops“ über weitere Maßnahmen. Zum Beispiel sollen Mensch und Tier durch einen neuen Bohlenweg am Strand auf Distanz gehalten werden, damit die Robben ihre natürliche Scheu behalten. Vergraulen oder vertreiben dürfe man diese Tiere nicht, da sie unter Artzenschutz stünden. Auch werde man die Neoprenanzugträger verstärkt auf die Situation hinweisen und Gruppen bitten, sich vorher anzumelden.
Die Situation auf Helgoland und das daraus abgeleitete „Kegelrobbenmanagement“ könnte richtungsweisend für andere Inseln und Reiseziele sein, sagt Furtmeier. Aufgrund der steigenden Population könne davon ausgegangen werden, dass die Tiere „in Zukunft auch andere Wurfplätze und Aufenthaltsorte frequentieren“.
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