piwik no script img

urdrüs wahre kolumneHelga: Ich war‘s

Schlafen in OL

Beim Besuch einer Nachmittagsvorstellung des neuen Disney-Films „Lilo & Stitch“ begann ein ziemlich cool gekleideter Knabe von allenfalls zehn Jahren neben mir, angesichts der durchaus berührenden Schlussszenen, hemmungslos zu heulen, und als er bemerkte, dass ich bemerkte, äußerte er sich nach Gebrauch des Ärmels als Taschentuch so: „Männer dürfen ruhig auch mal weinen“. Welch schöner Erfolg der Gender-Diskussion – es war doch nicht alles umsonst! Wer Hermann Kants wunderbaren Roman „Die Aula“ gelesen hat, der kennt ihn nur zu gut, den eifernden Deppen-Typus des ewigen Besserwissers, den Kant in seinen Büchern so trefflich nach Strich und Faden denunziert, karikiert und seziert. Diesem heiligen Narren und literarischen Großfürsten mit bornierten Stasi-Vorhaltungen zu kommen, lasse ich zwar barfüßigen Propheten und gefallenen kommunistischen Erzengeln wie unserem Berni Kelb auf hochdeutsch und op platt in der taz durchgehen, nicht aber manchen niederdeutschen Sprachpflegern, die als Oberförster der Meere über die Heide wackeln und noch jede kackbraune Haselnuss im Milieu zwischen Bad Bevensen und Lippoldsberg wuchern ließen. Möge der Vorsitzende des Schriftstellerverbands der DDR die Eröffnungsrede beim Vereinstreffen der Plattdeutschen nutzen, um diesen verderbten Schulmeisterleins das Maul mit der Waffe des dreisten Wortes zu stopfen. Atmen können solche Hippetucks dann immer noch durch den Darmgang.

Ein dreifach Hoch dem Bremer Amtsrichter Peter-Michael Pawlik zu dem folgenden Satz aus der Begründung seines Urteils über einen Blumenthaler Waffensammler, der sich hinter „Faszination durch Technik“ zu verstecken suchte: „Wenn man soviel Munition hat, hat man auch mal das Bedürfnis zu schießen.“ Denn genau dieses Bedürfnis ist es doch, was Autisten wie Scharping nicht nur zum Herrenausstatter, sondern auch zu Hufeisenplänen treibt – und schon wird aus der tragischen Figur ein brandgefährlicher Kumpel!

Eigentlich möchte ich mich nicht in die Tiefen der aktuellen Helga-Debatte einlassen, aber angesichts der egomanen Erklärungsversuche, die jetzt von Hinz oder Kunz in die Welt gesetzt werden, sei doch daran erinnert, dass ich es war, der seinerzeit anlässlich der Einweihung des Kino 46 als Festredner im Saal nach der damaligen Kultursenatorin Helga Trüpel brüllte, die ich kurzerhand noch für einen gemeinsamen Showtanz zur Bereicherung des Programms gewinnen wollte. Wochen später machten sich dann auf dem Findorffer Wochenmarkt alberne Lustwandler beim Mohrrübenkauf daran, nunmehr mich mit „Helga“-Schreien zu begrüßen. Von dort soll der Ausruf dann über Kartoffelhändler aus dem Raum Scheeßel zum Hurricane-Festival gewandert sein ... Der Rest ist (bekannte) Geschichte.

Vaterpflichten zwingen mich, von der kommenden Woche an für circa 14 Tage den Wiedereinstieg meiner Tochter in den Schulalltag von Oldenburg zu begleiten. Sollte uns zwei beiden eine zentral (!) hausende (nicht ausgeprägt vegetarische!) WG oder ein räumlich auf größerem Fuß lebendes Individuum für diese Zeit ein gern auch sehr provisorisches Domizil anbieten können, wird um Anruf unter Tel. 0175/1520785 gebeten. Für notfalls auch im Sitzen pinkeln und angemessene Kostenbeteiligung garantiert

Ulrich „ No Cem“ Reineking

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen