piwik no script img

Held der Arbeit im Knast

■ Die Verhaftung von Alfons Lappas führt zum Schulterschluß im DGB

Für Alfons Lappas muß es eine Sternstunde gewesen sein. Gefaßt auf harte Auseinandersetzungen um seinen Sanierungskurs gegenüber der Neuen Heimat, war er zum IG–Metall–Gewerkschaftstag gekommen. Als Held des Tages wurde er mit Ovationen zum Gang ins Gefängnis verabschiedet. Für die Gewerkschaften wurde er damit unversehens zum Märtyrer im Kampf gegen die Konservativen, die Beugehaft rief bei ihnen gar Assoziationen an die Verfolgung der Gewerkschaften während des Faschismus wach. Tatsächlich erwarten Lappas maximal drei Monate Knast, die er aber kaum absitzen dürfte. Als einen „ungeheuerlichen Vorgang, der in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland kein Beispiel hat“ geißelte der noch amtierende IG–Metall–Chef Mayr am Montagmorgen vor den Delegierten des 15. IG–Metall–Gewerkschaftstages die spektakuläre, weil so gezielt inszenierte Verhaftung des Vorstandsvorsitzenden der Gewerkschaftsholding BGAG, Lappas, aus den Reihen der Metaller heraus. In der Tat ein ungeheuerlicher Vorgang, der sich da am späten Sonntag nachmittag abgespielt hatte. Die überraschende Meldung vom Haftbefehl gegen den Manager des skandalumwobenen Gewerkschaftsholdings hatte nicht nur die bis dahin gewohnt gesetzt–feierliche Eröffnungszeremonie dieses Gewerkschaftstages heftig aus der Bahn geworfen, sie verdunkelte der Garde der größten Einzelgewerkschaft der westlichen Welt, die sich dort zwecks Perspektivbildung getroffen hat, ganz offensichtlich auch das historische Bewußtsein. Stehend applaudierten die Metaller, stolze 500 an der Zahl, als der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft Günter Schröder in nahezu tragischer Intonatin in den Saal rief: „Ich bin seit über dreißig Jahren Polizeibeamter. Ich habe von meinen Lehrern gelernt, daß sich 1933 nie wiederholen wird.“ Die Stunde der gewerkschaftlichen Solidarität hatte geschlagen - und zwar so heftig, wie man es sich an anderer Stelle schon so oft vergeblich erhofft hatte. Der Vergleich des Polizeigewerkschafters mit den Verfolgungen von Gewerkschaftern durch die Nationalsozialisten löste unter den Metallern kein nachdenkliches oder gar betretenes Schweigen aus. Im Gegenteil: Inmitten des tosenden Applauses waren verheißungs volle Ankündigungen aus den Reihen der Delegierten zu vernehmen: „So ist es. Das müssen wir auf allen unseren Versammlungen noch einmal sagen.“ Schröders deplazierter Vergleich wurde gar noch weitergedacht: „So fängt das an. Wann werden sie sich trauen, in die Gewerkschaftshäuser zu kommen?“ So spontan Franz Steinkühler und DGB–Chef Ernst Breit auch den Haftbefehl gegen den gewerkschaftlichen NH–Spitzenmanager in tiefer Betroffenheit gegeißelt hatten, keiner der politischen Repräsentaten der Gewerkschaftsbewegung sah sich unmittelbar veranlaßt, diese Formulierung gewerkschaftlicher Empörung auf den Boden historischer und gewerkschaftlicher Realitäten zurückzuholen. So konnte denn der skandalgebeutelte BGAG–Manager Lappas direkt im Anschluß an Schröders markige Worte bewegt zu Protokoll geben: „Ich danke euch, Kolleginnen und Kollegen, das hat mir gut getan.“ Schröders Verhandlungseinsaz bei der Kripo war es zu danken, daß der NH–Manager nicht aus dem Saal heraus verhaftet, sondern vor der Tür erwartet wurde und zuvor noch vor den IG Metall–Delegierten die Zukunftsperspektiven der Gemeinwirtschaft entwickeln konnte. Kritische Zwischenrufe, wie sie noch vor der Hiobsbotschaft wohl niemanden überrascht hätten, bleiben angesichts der nun geforderten praktischen Solidarität aus. Gänzlich in Vergessenheit geraten wohl auch die knallroten Flugblätter, mit denen die Betriebsräte der Neuen Heimat die Metall–Delegierten am Nachmittag vor den Türen des Hamburger Congress– Centers empfangen hatten. Unter dem Titel „NH–Verkauf - Dichtung und Wahrheit“ hatten die Betriebsräte den Metallern mit auf den Weg gegeben: „Hier wird bewußt Meinung durch Verschweigen wesentlicher Tatsachen und Vereinbarungen manipuliert.“ Die Informationspolitik von DGB und BGAG sei ein „Schlag gegen die gewerkschaftliche Mitbestimmung, die der DGB zu Recht öffentlich vertritt.“ Als Hans Mayr und Ernst Breit in geradezu heroischer Pose erklärten, sie seien entschlossen, den Kollegen Lappas vor die Tür zu den wartenden Kripo–Beamten zu begleiten, ertönte es aus dem Saal: „Wir kommen mit.“ In beschwichtigenden Worten gelang es dem designierten Metall–Chef Steinkühler, diese sicherlich eindrückliche gewerkschaftliche Spontandemo zu verhindern. Flankiert von der obersten Gewerkschaftsprominenz schritt BGAG–Chef Lappas denn im Blitzlichtgewitter der versammelten Presse seiner Verhaftung entgegen. Es geschah, was Franz Steinkühler bei Bekanntgabe des Haftbefehls gesagt hatte: „Mehr als den Dingen ins Auge sehen, können wir im Augenblick nicht tun.“ Die Forderung, die Ernst Breit noch am Sonntag abend vor der Presse erhoben hatte, wiederholte Hans Mayr am Montag morgen unter dem Applaus der IG Metaller: „Unverzügliche Freilassung von Alfons Lappas.“ Die scharfen Worte seines Kollegen Schröder versuchte er mithin zu relativieren: „Kolleginnen und Kollegen, ich habe die Nazidiktatur persönlich erlebt und aus Erfahrung weiß ich: Immer wenn man sich sachlichen Auseinandersetzungen entziehen will, wird zum Mittel der politischen Diffamierung gegriffen.“ In der Inszenierung dieser Verhaftung habe die Bundesregierung endgültig in Sachen Diffamierung der Gewerkschaften überzogen. „Wir fordern ein Ende des schamlosen Schmierentheaters“, rief er den Delegierten zu. Noch unter dem ersten Schock stehend, hatte DGB–Chef Breit verbittert erklärt: „Das kann wohl keine Sternstunde der politischen Demokratie sein.“ Aber auch keine Sternstunde der Gewerkschaftsbewegung. Die Diskussion über die Skandale im eigenen Haus, über die Tragweite des geradezu subversiv eingefädelten NH–Deals mit dem Berliner Bäcker, die auch höheren Gewerkschaftern erst im nachhinein bekannt wurde, ist zunächst erstmal in der Empörung über die Maßregelung des Gewerkschafs– Managers baden gegangen. Maria Kniesburges

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen