Heizen mit Holz: Wie grillen, nur halt ohne Fleisch
Der Holzofen macht das Beisammensein gemütlich, die Heizung verströmt trockene Wärme und kaum Romantik. Wozu passt der Rotwein wohl besser?
Es knistert so schön, die Wände in flackerndes Gelb getaucht, die mollige Wärme verbreitet sich im Wohnzimmer, dazu der gute Rotwein, den mein Vater gekauft hat. Füße hoch, vielleicht eine Runde Skat mit den Eltern, dazu Plätzchen, Dresdner Stollen, noch mehr Wein. So gehen die Weihnachtsfeiertage rum im Haus meiner Eltern in einer kleinen Stadt ganz im Norden Bayerns.
Das Knistern wird leiser, die Wände werden dunkler, man muss Holz nachlegen. Mein Vater, klar, holt drei neue Holzscheite von draußen. Gerade lagert dort ein Baum, der bis vor Kurzem noch im Garten stand, gefällt hat ihn ein Förster, mein Vater hat das Holz gehackt und dabei „ganz neue Muskeln kennengelernt“.
Zwei Winter hält das bestimmt. Dann jedenfalls legt er das Holz vor dem Ofen ab, zieht den Handschuh an, kniet sich vor dem Kamin nieder, öffnet die Glastür, platziert das Holz auf dem glimmenden Rost, schließt die Tür. Und manchmal läuft da irgendetwas schief, dann strömt strenger Geruch ins Wohnzimmer und löst leicht Panikanfälle bei meiner Mutter aus. „Wir ersticken hier!“ Letzten Sommer haben sie sich einen CO2-Melder gekauft, er liegt jetzt im Wohnzimmer und warnt, wenn Vergiftung droht. Meine Mutter wollte es so.
Vor gut 10 Jahren zogen meine Eltern in dieses Haus, im Wohnzimmer stand damals schon ein Kaminofen, hässlich und gekachelt. Sie kauften einen neuen, modernen. Der Ofen wurde zum Hobby. Jeden Abend im Winter entscheiden sie: Ofen an oder doch lieber die Gasheizung? Mollige Wärme oder trockene Heizungsluft? Drei-, viermal pro Woche gewinnt der Ofen. Obwohl es fast eine Stunde dauert, bis das Wohnzimmer warm ist.
Mein Vater musste sich aber erst mal Expertise anlesen. In der Bedienungsanleitung, im Internet, er hat sich beraten lassen. Welches Holz ist gut? „Besser Hartholz. Gerne Buche. Eiche ist zu teuer“. Wann nachlegen? „Beobachten! Wenn nur noch ein Glutnest da ist, muss neues Holz rein, alle halbe Stunde vielleicht.“ Wie nachlegen? „Zügig. Manchmal stinkt es, ich glaube der Kamin ist schuld, der zieht nicht richtig. Und abhängig vom Wetter ist es auch.“
„Ist ja eigentlich keine Wissenschaft, aber dein Papa macht eine draus“, sagt meine Mutter.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Gerade ist ohnehin Krise. Kürzlich stand dicker Qualm im Wohnzimmer, die Dunstabzugshaube war wohl versehentlich geöffnet. Oder der Ofen hat einen Konstruktionsfehler. Oder der Kamin? Zieht nicht richtig. Experten konnten nicht helfen. „Für mich ist die Holzheizsaison gelaufen“, sagt meine Mutter. „Quatsch. Wir probieren noch mal anderes Holz“, sagt mein Vater. „Es ist total nervig“, sagt meine Mutter.
Ist dieses Heizen mit Holz das Grillen des modernen Mannes? „Jo, kann man so sagen“, sagt mein Vater. „Es macht schon auch Spaß.“
Wisst ihr eigentlich, dass beim Heizen mit Holz fast so viel Feinstaub entsteht wie im gesamten Straßenverkehr? Stille. „Nein“, sagt meine Mutter. „Aber stimmt schon, ich kann im Schlafzimmer kaum lüften, weil alle Nachbarn auch mit Holz heizen, das stinkt unglaublich, das kann nicht gesund sein.“
Trotzdem werde ich in 297 Tagen fragen, ob mein Vater nicht den Ofen anschmeißen will. Diese mollige Wärme, dieses Flackern, dieses Knistern. Der Wein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett