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»Heißt du wirklich Hasan Schmidt?«

■ Theater für Kids ab 11Jahre

Jerry steht bevorzugt breitbeinig und mit über der Bomberjacke verschränkten Armen da. Seine Lebensphilosophie ist so schlicht wie seine Lieblingspose. Schule ist Streß, und Türken sind Kanaken. Wie er denken auch seine Kumpane, zusammen prügeln sie sich mit türkischen Jugendgangs, wo es nur geht.

Szenenwechsel: Bei Matze schlägt es ein, er hat sich in Shirin verliebt, Shirin ist Türkin. Ihre Familie hat andere Pläne, als Matze sich erträumt, sie ist schon längst einem anatolischen Bräutigam vesprochen, undenkbar etwa ein deutscher Freund. Shirin weiß keinen Ausweg.

In dem Musical »Heißt du wirklich Hasan Schmidt?« nach einem Roman von -ky werden Zoff und Liebe mit Hindernissen zwischen türkischen und deutschen Jugendlichen unerschrocken zusammengefügt. Szenen aus dem Alltag Berliner Kids, in irgendeinem Kiez, irgendeiner Schule. Im Mittelpunkt steht dabei Matze, der reichlich unbeholfen durch das Leben stolpert und jede Menge Probleme hat. Bei seinen Freunden, den Springerstiefelträgern Jerry, Babsi und Kalle, muß er einiges ausbügeln. Als er sich deshalb mit den Dreien als »Entmietungskommando« zu schaffen macht, sieht er Shirin.

Die Inszenierung von -kys Roman ist eine Gratwanderung, kommt aber nie in Gefahr, verklärend oder verharmlosend zu wirken. Immer hart an der Realität gibt es eine Utopie nur in Andeutungen. Die Verwandlung Matzes in den schwarzhaarigen Hasan bleibt ein gescheiterter Versuch, die Wirklichkeit zu überwinden. Selbst seine Augen öffnen sich nur halb: »Als Türke würde ich hier abhauen.« Shirin aber entgegnet: »Das hier ist mein Land!« Auch die scheinbare Harmonie zum Schluß ist nicht von Dauer.

Die in der Mehrzahl jugendlichen Schauspieler agieren sicher zwischen Unterhaltung und Problemdarstellung. In Felix Bresser pulsiert das Leben von Jerry so sehr, man möchte ihm nicht unbedingt begegnen. Hervorstechend auch Kathrein Netta als Babsi und Ali Cilacun als Özcan. Die Musik von Andi Brauer variiert von Rock und Rap über Ballade bis zur türkischen Hochzeitsmusik. Nicht immer sind die Texte der Songs zu verstehen, dafür transportieren die perfekten Arrangements der Stücke soviel Stimmung rüber, daß der Inhalt der Lieder kaum vermißt wird. Glanzvolle Akzente setzt die Choreographie von Morris Perry. Ihm ist es gelungen, Schlägereien als tänzerischen Genuß zu zeigen und trotzdem bitteren Ernst darzustellen. Die deutschen Schauspieler liefern die Aggressivität, die türkischen Tänzer die Eleganz. Drei Breakdancer zaubern authentisches Lebensgefühl auf die Bühne und ernten Begeisterung. Szenenapplaus gibt es immer wieder, der Beifall am Ende ist riesengroß.

Was vor fast drei Jahren als Idee im Kunstamt Neukölln begann, von der sozialen Künstlerförderung nach Kräften unterstützt, geht jetzt als eindrucksvolles Ergebnis auf Tournee durch die Bezirke, nach Prenzlauer Berg, Köpenick, Kreuzberg und Lichtenberg. Sie wollen »vor Ort spielen«, die Zielgruppen erreichen. Vor Ort, am Bahnhof Lichtenberg, bekennen sich derweil die Glatzen zu ihrem Fremdenhaß: »Einen Kanaken wegtreten macht uns richtig Spaß.« Christian Bahr

29.3. bis 1.4., um 15Uhr im FEZ

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