Heiße Elbe verliert Sauerstoff: Da japsen die Fische
Wegen der Dauerhitze ist der Sauerstoffgehalt des Elbwassers auf eine für Fische kritische Grenze gesunken. Umweltverbände warnen, das Ökosystem Elbe könnte kippen.
Der Sauerstoffgehalt des Elbwassers hat mit dem warmen Sommerwetter in den vergangenen zwei Wochen drastisch abgenommen. Bei Bunthaus sank er von zehn Milligramm pro Liter am 14. Juli auf 2,8 Milligramm am 26. Juli. Damit ist der Wert erstmals in diesem Sommer unter die für Fische fatale Grenze von drei Milligramm gefallen.
Das sogenannte Sauerstoffloch ist ein regelmäßig im Sommer auftretendes Phänomen. Umweltschützer machen unter anderem die tief ausgebaggerte Fahrrinne der Elbe dafür verantwortlich. Das Aktionsbündnis „Lebendige Tideelbe“, ein Zusammenschluss der Umweltorganisationen BUND, Nabu und WWF, hat deshalb vor einem weiteren Ausbau der Fahrrinne gewarnt: Sie werde mit schwer wiegenden Veränderungen des Gewässers einhergehen und das Sauerstoffproblem vergrößern. „Dies ist mit den Vorgaben des Europäischen Wasserrechts nicht vereinbar“, warnte Manfred Braasch, der Landesgeschäftsführer des BUND.
Die Umweltverbände versuchen mit verschiedenen Klagen dagegen vorzugehen. Im Januar hat der BUND beim Hamburgischen Oberverwaltungsgericht ein Urteil gegen das im Probebetrieb befindliche Steinkohlekraftwerk in Moorburg erwirkt: Der Energiekonzern Vattenfall darf es demnach nicht direkt mit Elbwasser kühlen, sondern muss einen Kühlturm betreiben, damit die Elbe nicht zusätzlich aufgeheizt wird. Die Umweltbehörde als genehmigende Instanz hat dagegen Revision beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt.
Vor einem Jahr schon hat das Aktionsbündnis „Lebendige Tideelbe“ gegen eine geplante weitere Elbvertiefung geklagt. Das Bündnis machte geltend, dass ein Fahrrinnenausbau zu weit größeren Veränderungen im Fluss führen könnte als prognostiziert. „Wir sehen das Risiko, dass mit dieser Vertiefung die Schwelle der Belastbarkeit überschritten wird“, sagt Beatrice Claus vom WWF damals. Das Gericht hielt das für so erwägenswert, dass es vergangenen Oktober einen Baustopp erließ.
In einem ähnlichen Verfahren zur Weservertiefung hat sich das Bundesverwaltungsgericht an den Europäischen Gerichtshof gewandt: Er möge einige grundsätzliche Fragen des europäischen Wasserrechts klären. Erst dann könne man über den Planfeststellungsbeschluss zur Weservertiefung urteilen. Das Aktionsbündnis der Umweltverbände rechnet daher damit, „dass sich auch die Entscheidung bezüglich der Weservertiefung weiter verzögern wird“.
Wasser kann bei 25 Grad Celsius etwas über acht Milligramm Sauerstoff pro Liter binden.
Im Hafen absterbende Algen lassen den Sauerstoffgehalt weiter sinken.
Gemessen wurden am 26. 7. folgende Stationen: Bunthaus (24,9 Grad; 2,8 Milligramm Sauerstoff pro Liter), Seemannshöft (24,1 Grad; 2,8 Milligramm Sauerstoff), Blankenese (24,5 Grad; 2,6 Milligramm Sauerstoff).
Für die Fische erträglich sind nach Angaben der Umweltverbände sechs Milligramm. Fatal ist für sie, wenn der Wert unter drei Milligramm sinkt.
Die Richter wollen von ihren Luxemburger Kollegen wissen, ob das „Verschlechterungsverbot“ der EU-Wasserrahmenrichtlinie für den ökologischen Zustand von Gewässern absolut zu verstehen sei oder Ausnahmen zulasse. Zudem erbitten sie eine Definition des „Verbesserungsgebots“ für Gewässer. Um als gering belastet zu gelten, dürfte der Sauerstoffgehalt im Elbwasser dann nicht unter acht Milligramm pro Liter sinken.
Fatal für die Elbfische ist eine Kombination mehrerer Faktoren: Im flachen Oberlauf der Elbe leitet die Landwirtschaft reichlich Nährstoffe ein. Nach Einschätzung der Mitarbeiter des Wassergütemessnetzes etwa doppelt so viel, wie zuträglich wäre. Mit viel Licht und Nährstoffen gedeihen dort die Algen. Mit dem Strom werden sie in den Hafen gespült, wo die Flusssohle absackt. Die Algen verenden in den Tiefen der Fahrrinne und werden von Bakterien unter Verbrauch von Sauerstoff abgebaut. Dazu kommt, dass die Absorptionsfähigkeit des Wassers für Sauerstoff mit steigenden Temperaturen sinkt – und fertig ist die Katastrophe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin