Heise versus Facebook: Wenn der Button zwei Mal klickt
Der Computerverlag Heise unterwandert die Versuche von Facebook, an Daten von Nutzern zu kommen. Er tut es sehr geschickt - und Facebook ist machtlos.
BERLIN taz | Was ist das für eine Welt, in der Firmen "Gesichtsbuch" heißen und in der man sich darüber streitet, was wirklich geschieht, wenn man mit einem Finger ein handtellergroßes rundliches Gerät berührt? Um damit einen Pfeil auf einem Monitor so bewegen, dass dieser einem Unternehmen fernab in Kalifornien verrät, was man gestern im Internet getan hat?
Wer sich im World Wide Web bewegt, findet immer öfter kleine Facebook-Buttons. Facebook ist eine Website, die ihren Nutzern vorgaukelt, man hätte viele Freunde gefunden, wenn die ihre Kommentare zu dem abgeben, was man meint, der Welt über sich mitteilen zu müssen.
Diese Buttons simulieren und suggerieren direkte Demokratie: Die Surfer können mit einem Klick dokumentieren, ob ihnen das, was sie gerade gesehen habe, gefällt oder nicht und den Artikel an ihre virtuellen Kontakte weiterempfehlen. Facebook oder andere Firmen wie Twitter dokumentieren so das vermeintliche gesunde Surf-Empfinden.
In Wahrheit werden Menschen ausspioniert, die sich zum Gefällt-mir-und-ich empfehle-es-weiter-Klicken verführen lassen. Davon leben Datenkraken wie Facebook und Co. Den deutschen Datenschützern gefällt das nicht - sie warnen und mahnen, allerdings stehen sie angesichts des Herdentriebs des Homo sapiens auf verlorenem Posten. 750 Millionen Menschen können irgendwie nicht irren.
Mit simplem Trick
Der Computerverlag Heise stemmt sich gegen die Macht des Facebook-Faktischen und hat den strittigen Button jetzt umgebaut. Wer etwas weiterempfehlen will und somit eine Nachricht an die "befreundeten" Menschen schickt, die in den so genannten "sozialen" Netzen aktiv sind, muss vorher nachdenken und der Datenspionage zustimmen.
Heise macht das mit einem simplen technischen Trick. Der ursprüngliche Facebook-Button zum Empfehlen liegt physikalisch nicht auf dem Rechner, der den Artikel anzeigt, den man soeben rezipiert hat. Er wird vielmehr von den externen Servern von Facebook eingebunden. Der Button tut nur so, als gehöre er zu der Website, die man gerade anschaut.
Facebook erhält nicht nur die Adresse - den uniform resource locator (URL) - der Website, die soeben benutzt wurde, sondern auch Informationen darüber, wer das gerade getan hat, falls diese Person bei Facebook angemeldet ist. Das "soziale" Netz kann so komplette Surf-Profile erstellen und diese mit Profit weiterverkaufen. Das ist die Geschäftsidee.
Heise jedoch hat einen eigenen Button gebaut. Der ist der Facebook-Grafik täuschend ähnlich, liegt aber auf den Heise-Rechnern. Erst bei einem zweiten Mausklick wird man mit den Facebook-Computern verbunden und setzt sich den Risiken und Nebenwirkungen aus. Dieses Vorgehen ähnelt dem //secure.wikimedia.org/wikipedia/de/wiki/Double_Opt-in:Double-Opt-In-Verfahren, das hierzulande vorgeschrieben ist, wenn jemand per SMS, Telefon oder E-Mail mit Werbung überschüttet wird. Die Endverbraucher müssen explizit zugestimmt haben. Wer erst "spammt" und dem "Opfer" mitteilt, es könne ja im nachhinein abbestellen, verstößt nach der aktuellen Rechtsprechung gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.
Facebook gefällt nicht, dass der Heise-Verlag die Datenspionage unterläuft. Man drohte, es sei laut Platform Policies - den Geschäftsbedingungen des Untenehmens - untersagt, das strittige "Like-"Buttom zum Weiterempfehlen nachzuahmen. Heise hat jetzt den Button grafisch ein wenig verändert, so dass er nicht mehr mit dem "Like"-Original zu verwechseln ist. Facebook gab daraufhin zähneknirschend zu, dass diese Lösung zwar nicht ideal sei, man aber damit leben könne.
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