■ Heimatkunde: Was Beatle John in der Lüneburger Heide trieb: Heide-Souvenirs
Vorgestern wurde an dieser Stelle erzählt, wie Franz Josef Strauß in der Lüneburger Heide auf recht zweifelhafte Weise zu seinem Jagdschein kam. Mit der Geschichte um einen weiteren Gast dieses schon von Arno Schmidt ausdrücklich gelobten Landstriches wird das Kapitel „Heide-Souvenirs“ im großen Buch der Heimatkunde vorläufig wieder geschlossen.
Ebenfalls in der Lüneburger Heide ein Gewehr in die Hand gedrückt bekam drei Jahre später Beatle John Lennon. Auf dem britischen Truppenübungsplatz Bergen-Hohne lief der nachmalige Friedenskämpfer dazu sogar einen Monat lang in einer Soldatenuniform herum. „Beatle-Idol John Lennon gestern in Celle“ meldete die Cellesche Zeitung vom 6. September 1966 nach einer „internationalen Pressekonferenz im Celler Hof“. „Beatle John Lennon wird sich in Richard Lesters Film ,Wie ich den Krieg gewann‘, von dem einige Szenen zur Zeit auf dem Nato-Übungsplatz Bergen- Hohne abgedreht werden, zum erstenmal in einer Schauspielrolle produzieren. Und viele Beatles- Fans werden möglicherweise enttäuscht sein, denn ihr Idol wird in dem Streifen weder singen noch Gitarre spielen! ... Lennon bringt nach Lesters Meinung für die Rolle des Offiziersburschen alle jene Eigenschaften mit, die das Drehbuch verlangt: urwüchsigen Humor und sprudelnden Einfallsreichtum ... Auf die Frage, warum er gerade den Übungsplatz Bergen-Hohne als Schauplatz für einige Szenen wählte, antwortete Lester: ,Wir sind in die Lüneburger Heide gegangen, weil wir eine alte Holzbrücke vor einem dunklen Wald als Hintergrund sowie ein paar Bunker brauchten, die denen des letzten Weltkriegs ähnlich sehen. Und im übrigen brauchen wir natürlich auch ein paar Panzer.‘ Weitere Szenen des Streifens, dessen Drehbuch noch nicht einmal fertiggestellt ist, würden in Spanien abgedreht.“
Viel einschneidendere Vorgänge nach der Pressekonferenz notierte am selben Tag Reporterin Dagmar Mundt vom Hamburger Abendblatt. „Der große Zeiger der Uhr im Heidegasthof Schwanstedt sprang heute morgen auf die 30. Minute nach 8. Da geschah es: Im Frühstückszimmer fielen die langen Haare des Beatles John Lennon unter der Schere des Friseurs. John Lennon hatte seinen ,Markenartikel Pilzkopf‘ neuem Filmruhm geopfert. 'Eine Tüte für John Lennons Haare!‘ rief es aus dem Frühstückszimmer. Der Wirt reichte sie hinein. Ein paar Minuten vergingen, dann erschien John Lennon mit ,oben ohne‘. Ein hoher Scheitel, kurze, etwas in die Stirn gekämmte Haare. Es war ein so völlig neuer Lennon, daß ihn im ersten Augenblick niemand erkannte. ,Hello‘ sagte er und sah sich um. ,Wie geht's, und wie fühlen sie sich nun?‘ fragte ich. ,Danke, prima.‘ ,Mögen Sie sich so leiden?‘ John Lennon: ,Ja, sehr.‘“
Frau Mundt, die auch festhielt, daß Lennon während der Dreharbeiten lange wollene Unterhosen trug, war die erste, die das Presseschweigen über Lennons Kurzsichtigkeit brach: „Während im streng bewachten Nebenzimmer die Maskenbildnerin die fast heilige Handlung der ,Ent-Beatlung‘ vollzieht, bin ich ... einen Moment allein, probiere die Brille auf, die John gehört, und stelle fest: Sie hat geschliffene Gläser. Ganz schön dicke. Beatle John ist also Brillenträger, und dies schwarze Gestell ist nicht nur Filmdekoration!“
Lennons Aufwand sollte dann doch größtenteils für die Katz sein – an die Erfolge seiner Beatles- Filme „Help!“ und „A hard days night“ konnte Regisseur Lester mit „Wie ich den Krieg gewann“ nicht anknüpfen. Die Handlung – eine umzingelte und vergessene Gruppe britischer Rekruten soll während des 2. Weltkriegs hinter den deutschen Linien ein Cricket Pitch anlegen – fährt sich schon nach kurzer Zeit in bleiernem Leerlauf fest. Lennon aber nutzte seine vielen Drehpausen – seine Rolle als Musketeer Gripweed (Schlingpflanze) bestand nur aus Einzeilern – um gründlich darüber nachzudenken, ob er die ihn anödenden Beatles verlassen solle. In einem späteren Playboy-Interview entsann er sich auch, wie arrogant ihn die mit ihm in Fallingbostel untergebrachten Schauspielerkollegen behandelt hatten.
Und die Idee zu „Strawberry fields“ war ihm ebenfalls in der Heide gekommen. Je nun – der Film jedenfalls floppte, eine von United Artists unter dem Titel „Musketeer Gripweed & the 3rd troop“ veröffentlichte Schallplatte blieb auch schwer verkäuflich.
„Nachdem Lennon zwei Monate im Ausland verbracht hatte“, so sein Biograph Albert Goldman, „freute er sich, wieder nach England zurückzukehren, und dort verfiel er sofort wieder dem LSD. Eines Abends stieg er nach einem dreitägigen Drogentrip am Eingang zu Masons Yard aus seinem schwarzen Mini Cooper und ging zur Galerie Indica – dort sollte eine Veranstaltung stattfinden, zu der ihn eine etwas seltsame japanische Künstlerin namens Yoko Ono eingeladen hatte.“
Auf der Nase aber trug Lennon dabei – und so sollte es fortan bleiben – das, was ihm in der Lüneburger Heide am besten gefallen hatte: die kleine runde Nickelbrille, die eigentlich nur als Requisit für den Filmsoldaten gedacht gewesen war. Christian Meurer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen