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Heike weiß von nichts

■ Glaubt man ihrem Führungsoffizier, war Heike Drechsler kein Stasi-Spitzel

Berlin (dpa) – Der frühere Stasi- Offizier Heinz Bergner hat die Vorwürfe gegen Weitsprung- Olympiasiegerin Heike Drechsler entkräftet. „Heike Drechsler hat zu keiner Zeit Informationen abgegeben oder konspirativ gearbeitet“, erklärte der ehemalige Führungsoffizier. „Sie hat keine Verpflichtung unterschrieben.“

Im Zusammenhang mit dem Befehl aus der Stasi-Zentrale in Berlin, alle DDR-Sportler und Funktionäre, die für die Olympischen Spiele 1988 in Frage kommen, „operativ zu bearbeiten“, habe er die Akte „Jump“ angelegt. Er habe somit versucht, „zu verhindern, daß andere Dienststellen an Heike Drechsler arbeiten“, meinte der 48jährige Bergner, der damals als stellvertretender Leiter einer Stasi-Diensteinheit in Gera für den Sport zuständig war. „Und das ist uns gelungen“, fügte Bergner hinzu, der 1988 aus der Staatssicherheit ausschied.

Er bestätigte, alle Präsente an Heike Drechsler als „persönliche Geschenke“ weitergegeben zu haben. Er habe ihr auch die 500 West- Mark als „Akt der Freundschaft“ überreicht und sie gebeten, „bitte schreib ,Jump‘ drunter, damit ich eine Quittung habe“. Er unterstrich, daß Heike Drechsler trotzdem von der Existenz der Akte „Jump“ keine Ahnung hatte. Allerdings habe sie gewußt, „für welche Firma ich arbeite“.

Die Weltmeisterin zeigte sich gekränkt, daß die Geschenke „nicht von einem Freund, sondern von der Stasi“ gekommen seien und empfahl allen DDR-Sportlern, Akteneinsicht zu beantragen. Bergner erklärte, daß es für alle Leistungssportler Akten gebe.

Direkt zuvor hatte Drechsler sieben Stunden lang ihre 218seitige Stasi-Akte studiert. „Vieles war heute schockierend, aber es spiegelt das damalige System wider“, sagte die frühere DDR-Volkskammerabgeordnete, nachdem sie die Ex-Zentrale der DDR-Staatssicherheit verließ. Ihre wichtigste Erkenntnis sei, daß sie nun sicher sein könnte, „keinem Dritten geschadet“ zu haben.

„Ich bin enttäuscht von Herrn Bergner“, hatte Heike Drechsler nach der Akteneinsicht in der ersten Erregung gesagt. Die Verwicklungen in die Arbeit der Stasi seien aus einem persönlichen Verhältnis entstanden, Bergner sei ein Freund der Familie gewesen.

Zum Vorwurf, Informationen über die Sprinterin Marlies Göhr gesammelt zu haben, erklärte Heike Drechsler: „Natürlich war Marlies Göhr nicht meine beste Freundin, sondern eine meiner härtesten Konkurentinnen.“ Aber die Entscheidung, auch auf den Sprintstrecken anzutreten, „war ein rein sportlicher Aspekt“, das habe nichts mit Verdrängung oder Bespitzelung zu tun. „Jetzt ist mir bewußt, daß ich auf sie angesetzt war“, sagte Heike Drechsler. Dies sei aber unlogisch gewesen, da sie zu Göhr kaum Kontakt hatte.

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