Heike Haarhoff über die Embryonenspende: Es braucht verlässliche Regeln
Es gibt viele Frauen in Deutschland, die keine Kinder bekommen können. Die moderne Fortpflanzungsmedizin könnte ihnen helfen. Mit Samen- oder Eizellspende, mit Leihmutterschaft, mit Embryonenadoption. Doch das Gesetz verbaut den Frauen viele dieser Möglichkeiten.
Wie weit darf man gehen für ein Kind? Im demokratischen Rechtsstaat entscheidet vor allem eine Instanz über Fragen von solch existenzieller Bedeutung für die Grundrechte: das Parlament. Doch der Bundestag scheut die Gesetzesreform. Seit Jahren ignoriert er Forderungen nach einem Fortpflanzungsmedizingesetz, das dem Stand der internationalen Wissenschaft entspricht, Widersprüche der bisherigen Gesetzesparagrafen beseitigt – und Kinderwunschbehandlungen nicht länger dem Strafrecht unterstellt.
Das bewusste Nichtstun der Politiker ist Furcht geschuldet: vor dem angeblich drohenden Dammbruch, vor der Menschenzucht nach Maß, der kein Einhalt mehr zu gebieten sei, wäre das Gesetz einmal gelockert. Wer kann schon wissen, welche Methoden die Fortpflanzungsmedizin in Zukunft noch ersinnt? Nicht zufällig wurde der Streit um die Präimplantationsdiagnostik im Jahr 2010 und 2011 in Deutschland geführt wie ein moderner Glaubenskrieg.
Die Forderung des Deutschen Ethikrats, jetzt zumindest gesetzliche Regelungen für die umstrittene Embryonenspende zu schaffen, ist richtig. Denn wo für manche Juristen der Fall erledigt ist, fangen die Fragen für Philosophen, Therapeuten und Familienforscher erst an: Wie viele Identitäten verträgt ein Kind, ohne eine gespaltene Persönlichkeit zu entwickeln? Wer darf oder muss Verantwortung tragen, wer haften? Wer ist erziehungsberechtigt, wer unterhaltspflichtig?
Es gibt kein Recht auf ein eigenes Kind, sicher. Aber kann es Unrecht sein, sich den eigenen Kinderwunsch nicht ausreden lassen zu wollen – und zu seiner Realisierung verlässliche Regeln zu fordern?
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