Heftige Proteste gegen Stuttgart 21: Ruhig mal über Randale reden

Wie viel ziviler Ungehorsam ist erlaubt? Nach den gewalttätigen Protesten in Stuttgart droht dem Aktionsbündnis der "S21"-Gegner interner Knatsch.

Nicht mehr nur Fahnen schwenken: Der Protest gegen den Bahnhofsbau ist gewalttätig geworden. Bild: dpa

BERLIN/STUTTGART taz | Dem Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 stehen nach den Auseinandersetzungen auf einer Stuttgarter Baustelle am Montagabend heftige Debatten bevor. Der Landesgeschäftsführer des BUND und Teil des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, Berthold Frieß, sagte: "In der Bewertung dessen, wo die Grenzen unseres Protestes liegen, gibt es bei uns großen Diskussionsbedarf."

Im Anschluss an die traditionelle Montagsdemonstration hatten am Montagabend in Stuttgart einige hundert Demonstranten ein Baustellengelände erobert, Zäune umgeworfen und Baufahrzeuge beschädigt. Mehrere Polizisten sollen dabei verletzt worden sein, die Staatsanwaltschaft nahm gar Ermittlungen wegen versuchten Totschlags auf. Unter den Gegnern des umstrittenen Bauprojektes wächst jetzt die Befürchtung, die Bewegung könnte sich vor dem anstehenden Stresstest und der geforderten Volksbabstimmung selbst am meisten schaden.

Klaus Arnoldi, Vertreter des Verkehrsclubs Deutschland im Aktionsbündnis, sagte: "Wir haben immer Angst vor Provokateuren gehabt, weil wir genau wissen, dass solche Bilder die Bewegung spalten. Wir wollen dagegen den bürgerlichen Protest aufrecht erhalten." Von jeglicher Form der Gewalt müsse man sich scharf distanzieren. Der Sprecher der sogenannten aktiven Parkschützer, Matthias von Herrmann, hatte zuvor dagegen kräftig ausgeteilt und gesagt: "Die Polizei fantasiert, dramatisiert und kriminalisiert, um einen Keil in den Widerstand zu treiben."

Tatsächlich lässt sich kaum bestreiten, dass es vor allem S-21-Gegner waren, die am Montag das Baugelände erobert haben. Hier war es zu einem wilden Gerangel zwischen einem Unbekannten und einem Zivilpolizisten gekommen, der anschließend ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Inzwischen wurde der Polizist aus dem Krankenhaus entlassen. Polizeisprecher Stefan Keilbach sagte der taz: "Äußerlich sieht er unverletzt aus." Er habe aber eine "schwere Verletzung am Kehlkopf durch Schläge und Tritte". Außerdem habe er eine Gehirnerschütterung und Prellungen erlitten.

"Nicht kräftig ausgeholt"

Im Internet versuchen S-21-Gegner derzeit Beweise und Entlastungsmaterial zusammenzutragen, weil sie den Vorwurf des versuchten Totschlags für ungerechtfertig halten. Zwei Videos sollen beweisen, dass der Mann weder schwere Verletzungen, noch lebensgefährlich attackiert worden war. Die Polizei geht dagegen davon aus, dass der vermeintliche Totschlagsversuch zeitlich vor der im Internet dokumentierten Auseinandersetzung stattgefunden haben könnte.

Ein Tatzeuge, einer der Urheber der beiden Youtube-Videos, berichtete am Mittwoch gegenüber der taz von genau diesem Zeitpunkt, der seinem Videomitschnitt voranging. Demnach seien die Schläge zwischen den Männern "gegenseitig und gezielt, aber nicht kräftig ausgeholt gewesen". Weiter sagte der Mann: "Tritte habe ich keine beobachtet." Nach einer heftigen Rangelei zwischen den beiden Männern habe sich der Polizist lösen können, dann sei ihm der Unbekannte gefolgt und habe ihn erneut angegriffen. Wodurch der Streit ausgelöst worden sei, habe er aber nicht beobachten können.

Vor dem Hintergrund dieser Vorfälle herrscht in dem Aktionsbündnis die Befürchtung, die Bilder der Eskalation könnten dem Protest massiv schaden. Auf seiner nächsten Sitzung am kommenden Dienstag will das Bündnis daher sein Verhältnis zu zivilem Ungehorsam klären. Dabei dürfte es auch um die Rolle der aktiven Parkschützer im Protestbündnis gehen, die einigen im Aktionsbündnis zu radikal agieren.

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