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Hefe für den Darm

■ Noch immer unterschätzt und verharmlost: Diarrhöe ist eine der häufigsten Reisekrankheiten Von Kerstin Meier

Tagtäglich verrichtet unser Darm – mal mehr und mal weniger brav – seine Arbeit. Nur so funktionieren Muskeln, Herz und Hirn, wachsen Haare und Fingernägel.

Doch wehe dem, der eine Reise tut – denn Diarrhöe, vulgo: Durchfall oder Dünnpfiff, kann jeden treffen: Plötzlich grummelt und rumort es fürchterlich im Magen, und nur der schnelle Gang zum Klo verschafft zumindest vorübergehende Linderung. „Durchfallerkrankungen gehören zu den häufigsten Erkrankungen auf Reisen“, erklärt Alexander Bernhard von der Deutschen Gesundheitshilfe (DGH). „Die Verursacher dafür sind klimatische Veränderungen, Bakterien, Viren und unsaubere Lebensmittel.“

In heißen Ländern „mit niedrigem Hygienestandard“ sei die Gefahr besonders groß, daß Krankheitserreger durch Speis und Trank übertragen werden. Deshalb rät die Weltgesundheitsorganisation (WHO), keine Salate, kein rohes Obst oder Gemüse zu essen und Eiswürfel und Speiseeis zu vermeiden. Das fällt schwer, doch wen „Montezumas Rache“ – wie die unangenehmen Symptome in Mexiko genannt werden – erst einmal erwischt hat, den läßt sie so schnell nicht wieder los. Eine harmlose Erkrankung kann drei bis vier Tage anhalten. Dauert's länger, wird es gefährlich: „Nicht selten verlaufen Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes tödlich“, berichtet Bernhard.

Die Krankheit werde von vielen Reisenden unterschätzt, bestätigt auch Dr. med. Klaus Plentz vom Gesundheitsamt Hannover. Deshalb sei es umso wichtiger, die Bevölkerung bereits vor ihrer Reise aufzuklären und nicht erst, wenn es zu spät ist. Immer noch gehören für viele Kohletabletten in die Reiseapotheke. Diese hätten aber außer einem Plazebo-Effekt keinerlei Wirkung, so Plentz. Besonders beliebt seien auch „Großmutters Gesundheitstips“, wie etwa Cola und Salzstangen. Die sind zwar im Urlaub schneller besorgt als ein Medikament, nützen aber wenig. Das einzige, was laut Angela Kirchhelle, Ärztin für Allgemeinmedizin, helfe, sei eine Elektrolytlösung (ein bitter schmeckendes Gemisch aus Zucker und Salzen) oder Saccharomyces Boulardii (medizinische Hefe, die auch beim Brotbacken und zur Herstellung von Wein und Bier verwendet wird). Außerdem ist viel trinken zum Ausgleichen des Flüssigkeitsverlustes wichtig.

Ein zunehmendes Problem für ÄrztInnen seien die Last-Minute- Reisenden, die erst wenige Tage vorher wissen, wohin die Reise geht. Dadurch würden sinnvolle Vorbeugemaßnahmen, wie z. B. die für das jeweilige Reiseland entsprechenden Impfungen, unmöglich gemacht. Aber auch Ärzte hätten oft nicht genügend geographische Kenntnisse oder nähmen die Krankheit zu sehr auf die leichte Schulter: „Die Leute werden oft überimpft und damit abgeschreckt“, beschwert sich Plentz.

Daß Diarrhöe auch hierzulande ernst zu nehmen ist, wissen wir spätestens seit dem Salmonellenskandal in Altenheimen, bei dem mehrere Menschen nach dem Verzehr von salmonellenverseuchten Eiern starben. Trotz dieser Fälle sei Diarrhöe eine Krankheit, „die es seit Jahrzehnten schafft, sich das Mäntelchen der Harmlosigkeit umzuhängen“, warnt Bernhardt. „Immerhin treten allein in Deutschland jährlich über 40 Millionen Durchfallerkrankungen auf.“

Die taz weiß nicht, was Ihr Arzt Ihnen empfielt, wir empfehlen jedenfalls: trinken, trinken, trinken – natürlich niemals Kaffee oder Alkohol. Als Tip ein Cocktail-Rezept der WHO: 1 Liter abgekochtes Trinkwasser, 2 EL Traubenzucker, 1 TL Kochsalz und 1/2 TL Natriumbicarbonat. Alle Zutaten gut verrühren und dann: runter damit!

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