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Hausprojekt bedrohtNächste Instanz

Streit um das Kreuzberger Hausprojekt Reiche 63a geht weiter. Bleibt eine Lösung bis Ende September aus, entscheidet das Landgericht.

Weil im Streit zwischen dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und den BewohnerInnen des Hinterhauses der Reichenberger Straße 63a eine außergerichtliche Einigung nicht möglich scheint, wird das Berliner Landgericht das letzte Wort haben.

Die BewohnerInnen sehen nicht ein, warum sie einen für sie günstigen Vertrag neu verhandeln sollen, der 1990 mit dem Bezirksamt geschlossen wurde und bis 2020 gilt. Das Bezirksamt vertritt den Standpunkt, diese Befristung hätte ein Mitarbeiter, der dazu gar nicht berechtigt gewesen sei, handschriftlich in den Vertrag eingefügt, und fordert eine Neuverhandlung.

Dahinter stecken finanzielle Gründe. Während das Bezirksamt mit den BewohnerInnen einen niedrigen Mietzins vereinbart hat, sieht der Vertrag mit den HauseigentümerInnen, der Immobilienfirma Heymann und Kreuels (H&K), die Zahlung der ortsüblichen Miete vor. Die Differenz trägt das Bezirksamt. Der Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) sieht darin "eine nicht mehr zu rechtfertigende Subventionierung".

"Wir sehen keinen Grund, auf dieses Angebot einzugehen, weil wir uns weder einen Kündigungstermin setzen noch die Miete erhöhen werden", begründet Bewohnerin Julia Plöger die Ablehnung des Angebots. Den BewohnerInnen gehe es um den langfristigen Erhalt des Wohnprojekts, in dem auch Menschen mit geringen Einkommen leben. Das wäre aber durch höhere Mieten und eine kürzere Laufzeit des Vertrags gefährdet.

Wenn es bis Ende September zu keiner Einigung kommt, muss das Landgericht entscheiden. "Sollte es sich die Version der BewohnerInnen zu eigen machen, werden wir das selbstverständlich akzeptieren. Aber dann haben wir Rechtssicherheit", erklärt Franz Schulz der taz. Er fürchtet, dass der Landesrechnungshof wegen der Mietzahlungen an die Eigentümer intervenieren könnte. Mit einem gültigen Gerichtsentscheid könne er dem gelassen entgegensehen.

Die BewohnerInnen sehen sich unterdessen nach anderen BündnispartnerInnen um. "Wir sehen unsere Auseinandersetzung mit dem Bezirksamt als Teil eines gemeinsamen Kampfes gegen steigende Mieten und profitorientierte Immobilienpolitik", betont Plöger. Sie fände es auch gut, wenn sich BezirkspolitikerInnen gegen Mietsteigerungen einsetzen, ist aber pessimistisch. "Leider nehmen wir in unserem Fall das Bezirksamt eher als Erfüllungsgehilfen bei der Verdrängung wahr." PETER NOWAK

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1 Kommentar

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  • D
    denninger

    Und es fällt dem Bezirksamt erst nach 20 Jahren auf, dass im Vertrag etwas steht was dem Bezirk nicht passt?

    Und wieso muss der Vertrag dann "nachverhandelt" werden? Eher sollte der Bezirk Ansprüche gegen den Mitarbeiter prüfen.

    Aber ebenso wie bei den lauthals herausgebrüllten Enteignungsdrohungen (Hirschhöfe und Mauerpark) zeigt sich doch nur die Großmäuligkeit und Unfähigkeit der Berliner Verwaltung.

    In Punkto administrativer Unfähigkeit ist Berlin wirklich die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland.

    Vielleicht braucht Berlin noch viel mehr "Schwaben", die können wenigstens mit Geld umgehen und sprechen besseres Deutsch (SCNR).