Haushaltsdebatte beginnt: Motto: Ruhig bleiben
Die Bankenkrise in den USA habe nur begrenzte Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft, schätzt Steinbrück. Die Neuverschuldung soll weiter sinken.
Trotz der Bankenkrise und des Wirtschaftsabschwungs hält die Bundesregierung an einem ihrer letzten Ziele fest: 2011 soll der Bund zum ersten Mal seit rund vier Jahrzehnten keine neuen Schulden aufnehmen müssen. Auf dem Weg dorthin soll die Neuverschuldung im kommenden Jahr auf 10,5 Milliarden Euro sinken. Dies verkündete zumindest Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) zum Beginn der Haushaltsberatungen im Bundestag am Dienstag. Die Opposition und der Bund der Steuerzahler halten dies für Wunschdenken.
Steinbrück gab zu Beginn der Haushaltsdebatte zu, dass die jüngsten Krisen und Zusammenbrüche insbesondere US-amerikanischer Banken auch Folgen für Deutschland haben werden. So schlimm werde es aber nicht kommen: "Obwohl diese Finanzmarktkrise zweifellos das größte konjunkturelle Risiko auch für die deutsche Volkswirtschaft darstellt, halte ich die möglichen Auswirkungen auf uns für begrenzt." Es gebe keinen Anlass dazu, an der Stabilität des deutschen Finanzsektors zu zweifeln. Steinbrück verkündete, das Koalitionsziel eines ausgeglichenen Haushalts 2011 rücke in "realistische, greifbare Nähe". In diesem Jahr werde die deutsche Wirtschaft voraussichtlich um 1,7 Prozent wachsen, 2009 immerhin noch um 1,2 Prozent.
Der Haushaltsentwurf des Finanzministeriums sieht für das kommende Jahr Ausgaben des Bundes in Höhe von 288,4 Milliarden Euro vor. Das sind 5,2 Milliarden Euro mehr als für 2008 angesetzt. Mehr Geld soll unter anderem in Bildung und Forschung fließen, außerdem in Verkehrs- und Bauinvestitionen, Verteidigung und das Gesundheitssystem.
Erhebliche Zweifel am Erreichen des Koalitionsziels haben Grüne und FDP. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Otto Fricke (FDP), urteilte: "Derjenige, der jetzt schon wüsste, welche Auswirkungen die Finanzmarktkrise auf den Haushalt und auf das Wirtschaftswachstum in Deutschland hat, der hätte für den Rest seines Lebens ausgesorgt."
Der Grünen-Abgeordnete Alexander Bonde warf der Regierung vor, sie berücksichtigte klar absehbare Risiken nicht im Etatentwurf. Die Wachstums- und Einnahmeprognosen seien zu optimistisch. Die Folgen der weltweiten Finanzkrise seien ebenso wenig berücksichtigt wie jene durch das bevorstehende Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Entfernungspauschale.
Für die Linke forderte Gesine Lötzsch, geplante Rüstungskäufe zu unterlassen und stattdessen das Kindergeld oder das Arbeitslosengeld II zu erhöhen.
Der Bund der Steuerzahler erklärte, der Beitrag des Bundes zu einem Haushalt ohne neue Schulden sei "gleich null". Trotz Mehreinnahmen von fast 60 Milliarden Euro im Vergleich zu 2005 verringere sich die Nettokreditaufnahme 2009 um nur 20 Milliarden Euro.
An diesem Mittwoch geht die Haushaltsdebatte weiter. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Fraktionschef Peter Struck werden reden.
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