Haushalt: Ein paar Millionen herbeigezaubert
Rot-Schwarz will trotz Sparens mehr Geld ausgeben. Wegen des Flughafens kommt womöglich ein Nachtragshaushalt.
In schwierigen Zeiten verbringen sie kleine Wunder. Das ist die Botschaft, die die beiden Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen aussenden wollen. Raed Saleh (SPD) und Florian Graf (CDU) sitzen im Raum 320 des Abgeordnetenhauses und lächeln sich an, um dann gleich wieder ernst zu blicken. „Berlin muss sich insgesamt auf härtere Zeiten einstellen“, sagt Saleh. In allen Bereichen müsse gespart werden, die Zinslast liege nun bei mehr als 2 Milliarden Euro im Jahr, 2019 fielen Solidarpaktmittel von 2 Milliarden Euro jährlich weg. Aber, so Graf: „Wir halten die Schuldenbremse ein.“
Ab 2016 soll es keine Neuverschuldung mehr geben, dieses Ziel bleibt. Überhaupt soll sich unterm Strich nichts ändern im Vergleich zum Senatsentwurf, 1,6 Milliarden Euro neue Kredite müssten aufgenommen werden. Am heutigen Freitag beschließt der Hauptausschuss den Doppelhaushalt, am 14. Juni soll er vom Plenum abgenickt werden.
Trotz allen Sparens darf in einzelnen Feldern plötzlich mehr Geld ausgegeben werden als geplant. Rot-Schwarz hat einige Millionen herbeigezaubert, vor allem im Bildungsbereich (siehe Kasten). Nur wo kommt das Geld her? Es gebe Veränderungen in den verschiedenen Einzelplänen, sagt SPD-Haushaltssprecher Torsten Schneider – ohne Details zu nennen. Insgesamt hätten sie 90 Millionen Euro für 2012 und 110 Millionen Euro für 2013 umgeschichtet. Wer muss dann bluten? Eigentlich niemand, versichern die Koalitionäre. Denn einen Großteil der Gegenfinanzierung schaffen sie durch einen Trick: Im Haushalt gibt es einen Titel „Pauschale Minderausgaben für Bauinvestitionen“. Dorthin fließt das Geld, das nicht rechtzeitig ausgegeben wird. Dieser Posten wird auf 50 bzw. 60 Millionen Euro erhöht. Die Koalition wettet also darauf, dass nicht alle Bauprojekte so umgesetzt werden wie geplant.
SPD und CDU wollen in 17 Schwerpunktbereichen mehr Geld ausgeben als vom Senat angedacht: 50 Mio. Euro mehr im Jahr für die Bezirke, Verdoppelung der Mittel für Schulsanierungen auf 32 bzw. 64 Mio. Euro. 3,5 Mio. Euro jährlich mehr für die Hortbetreuung, 1,8 Mio. Euro für die höheren Honorare der MusikschullehrerInnen. 8 Mio. Euro mehr jährlich für die Bäder. Verschiedene private Theater können mit insgesamt gut 1 Million mehr an Zuschüssen rechnen, darunter 100.000 Euro für das Grips Theater. (se)
Doch unbegrenzte Glückseligkeit schafft diese Finanzierungungs-Finesse nicht. Es bleibt bei den angekündigten Personaleinsparungen in den Bezirken. 1.457 Stellen sollen bis zum Ende der Legislaturperiode wegfallen, was die am stärksten betroffenen Bezirke jetzt schon protestieren lässt. Man habe immerhin die Einsparungsquote für die Bezirke senken können, sagt Graf. Saleh, der sich in dieser Sache mit seinen Parteigenossen auseinandersetzen muss, die als Bezirksbürgermeister in Treptow-Köpenick, Lichtenberg und Mitte am stärksten von den Einschnitten betroffen sind, zeigt sich betont zuversichtlich: Bei guter Begleitung werde der Konflikt schon nicht eskalieren.
Was kostet der Airport?
Die Vorgabe von Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos), dass Berlins Ausgaben nur um 0,3 Prozent steigen dürfen, wird aber womöglich nicht eingehalten. Denn die Regierungsfraktionen gaben einer Forderung der Opposition nach, die steigenden Bundeszuschüsse bei der Grundsicherung als Mehreinnahmen zu verbuchen.
Und dann gibt es noch ein anderes unangenehmes Thema: der neue Großflughafen. Dass der – auch, aber nicht nur wegen der verspäteten Eröffnung – deutlich teurer wird als geplant, steht fest. Unklar ist, ob sich das auf den Haushalt auswirkt. Wenn Berlin als Flughafengesellschafter Geld nachschießen muss, müsse das wohl per Nachtragshaushalt geregelt werden, so Saleh und Graf. Aber noch lägen keine konkreten Zahlen vor. Wenn der Nachtragshaushalt kommt, dürfte die Neuverschuldung steigen. Das können SPD und CDU dann auch mit noch so viel Rechentricks und Umschichtungen nicht verhindern.
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