Haushalt in den USA: Runter mit den Schulden

Obama hält eine Grundsatzrede zum Sparen und zur Verantwortung des Staats. Einigkeit mit Republikanern besteht nur über die Verringerung des Haushaltsdefizits.

Obama will binnen zwölf Jahren rund 4 Billionen Dollar sparen. Bild: dapd

BERLIN taz | Mit einer Grundsatzrede an der George Washington University in der US-Hauptstadt hat Präsident Barack Obama am Mittwochabend die nächste Runde im Streit mit den oppositionellen Republikanern über die zukünftige Haushaltspolitik eröffnet. Obama erkannte zwar die Notwendigkeit an, dass Rekorddefizit von derzeit rund 14 Billionen US-Dollar deutlich zu verringern. Er stellte Ideen vor, wie binnen zwölf Jahren rund 4 Billionen Dollar eingespart werden können. Das ist deutlich weniger als der Plan, den der republikanische Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Repräsentantenhaus, Paul Ryan, in der vergangenen Woche vorgelegt hatte. Ryan will Einsparungen von 6,2 Billionen Dollar in zehn Jahren erreichen.

Die Vorschläge Obamas und die der Republikaner könnten unterschiedlicher nicht sein, und daran ließ Obama trotz aller Angebote zur überparteilichen Zusammenarbeit auch keine Zweifel. Die republikanischen Vorschläge würden "zu einem völlig anderen Amerika führen als dem, was wir in unserem Leben kennengelernt haben", sagte Obama. "70 Prozent Streichungen im Bereich sauberer Energien. 25 Prozent Kürzungen in der Bildung. 30 Prozent Kürzung im Transportwesen", sagte Obama: "Das ist die Art von Kürzungsvorschlägen, die uns vormachen sollen, wir könnten uns das Amerika, an das ich glaube, einfach nicht mehr leisten."

Während Ryan insbesondere das Gesundheitssystem Medicare umbauen und die Kosten insbesondere auf die älteren und finanzschwachen Bürger selbst abwälzen will, lehnt Obama genau das ab. Ryan will die Militärausgaben unangetastet lassen - Obama schlägt weitere Kürzungen im Militärhaushalt über 400 Milliarden Dollar vor. Die Republikaner wollen die Steuererleichterungen für die reichsten US-Amerikaner - die unter der Vorgängerregierung eingeführten und im November bis 2012 verlängerten "Bush tax cuts" beibehalten, Obama will sie loswerden. Ryan selbst saß während Obamas Rede mit versteinertem Gesicht in der ersten Reihe.

Abbau der Defizits: Das Defizit von derzeit rund 14,2 Billionen US-Dollar soll innerhalb von zwölf "oder weniger" Jahren um 4 Billionen Dollar zurückgefahren werden. Obama geht davon aus, dass sich das Verhältnis zwischen dem Jahresdefizit und dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2015 auf etwa 2,5 Prozent verringert. Derzeit beträgt es um die 10 Prozent.

Überwachungsmechanismus: Wenn bis 2014 nicht festgestellt werden kann, dass das Verhältnis zwischen Jahresdefizit und Bruttoinlandsprodukt sich in die geplante Richtung bewegt, werden automatisch Staatsausgaben in allen Bereichen gestrichen. Der Mechanismus soll sicherstellen, dass das Defizit in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts nicht mehr als 2,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes beträgt. Ausgenommen von den Streichungen sind Sozialprogramme und Medicare.

Steuerreform: Die Einsparungen sollen durch Ausgabenkürzungen und erhöhte Einnahmen im Zuge einer Steuerreform erreicht werden, im Verhältnis 75 zu 25 Prozent. Eine Reihe von Vergünstigungen und Schlupflöchern soll wegfallen, das gesamte System unkomplizierter und fairer werden. Und Obama will, dass Steuervergünstigungen für die Reichen aus der Bush-Zeit endgültig auslaufen - Wohlhabende sollen mehr zahlen.

Verteidigungshaushalt: Obama will im Verteidigungshaushalt bis 2023 noch einmal 400 Milliarden Dollar einsparen, in dem die Effizienz der Streitkräfte gesteigert und Überflüssiges abgeschafft wird, ohne die nationale Sicherheit zu gefährden.

Gesundheitssektor: Bei den staatlichen Gesundheitsprogrammen für die Älteren und Bedürftigen lehnt der Präsident Leistungskürzungen zu Lasten der Betroffenen ab. Einsparungen von 480 Milliarden Dollar bis 2023 und mindestens eine zusätzliche Billion im darauf folgenden Jahrzehnt will er durch Reformen erreichen, die etwa die Kosten für Medikamente senken und die Systeme generell effizienter machen.

Sozialversicherungen: Daran will Obama am wenigsten rütteln. Er will weder die Bezüge Bedürftiger kürzen noch das System privatisieren.

Sonstige Ausgabenkürzungen: Auch bei Programmen wie etwa Agrarsubventionen will Obama weitere 360 Milliarden Dollar einsparen. (mit dpa)

Während Obamas Vorschläge im Detail noch recht unkonkret blieben, so bedeutete die Rede vom Mittwoch doch den Beginn einer offenen Grundsatzdebatte über die Rolle des Staats in den USA, über die Verantwortung des Staats für das Wohlergehen seiner BürgerInnen. Unmittelbarer Handlungsdruck besteht, weil die USA die bislang gesetzlich festgelegte Schuldenobergrenze von 14,3 Billionen US-Dollar Schätzungen zufolge schon in den nächsten Monaten erreichen werden - beide Parteien sind sich im Prinzip einig, dass die Grenze erhöht werden muss, doch wollen die Republikaner ihre Zustimmung von weiteren Zugeständnissen der Regierung abhängig machen.

Um die überparteiliche Zusammenarbeit zu forcieren, kündigte Obama am Mittwoch die Bildung einer Kommission an, die insbesondere zu Einsparungsmöglichkeiten bei Gesundheitsversorgung und Sozialsystemen Vorschläge erarbeiten soll. Sie soll aus je zwei Abgeordneten und Senatoren beider Parteien bestehen und unter Leitung des Vizepräsidenten Joe Biden ab Mai tagen, um bis Ende Juni einen gemeinsamen Vorschlag zu erarbeiten, der dann in den Haushaltsentwurf für 2012 Eingang finden soll.

Doch die Analysten der US-Medien bezweifeln, dass die Kommission dazu in der Lage sein wird. Vielmehr vermuten sie, dass angesichts der tiefen Gräben zwischen beiden Parteien der Streit bis weit ins Jahr 2012 hineinreichen und letztlich auch den Wahlkampf zwischen Obama und seinem republikanischen Herausforderer im kommenden Jahr bestimmen wird.

Und natürlich war Obamas Rede auch das: der Auftakt für einen Wahlkampf, in dem sich mehr denn je zwei völlig unterschiedliche Auffassungen über die Zukunft des Wohlfahrtsstaats gegenüberstehen werden. Konservative Medien und republikanische Senatoren kritisierten sofort, am Mittwochabend sei es "weniger um die Zukunft des Landes als um die nächsten Wahlen" gegangen.

Linksliberale Kommentatoren hingegen lobten Obamas Rede. Das Medienecho ist so geteilt wie Land und Parlament - eine Kompromisssuche dürfte recht schwierig werden.

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