Hausfrau ohne Druck

Diana Sartor aus Altenberg strickt gerne und gibt ihren Schlitten Namen. Der eine heißt Günther, der andere Eberhard. Ansonsten ist die 34-Jährige ganz normal – und Skeleton-Weltmeisterin

AUS MÜNCHEN JOACHIM MÖLTER

Diana Sartor ist die einzige Skeletonfahrerin weltweit, die sich als Profi-Sportlerin bezeichnet. Sie ist wahrscheinlich auch die einzige, die sich gleichzeitig nicht einmal als Hobby-Sportlerin fühlt. „Eher wie eine Hausfrau“, sagt sie. Wenn die 34-Jährige auf Weltcup-Reise geht, nimmt sie ihr Strickzeug mit und strickt, wann immer sie Zeit hat. Mal einen Schal für eine Freundin, mal eine Mütze für einen Freund, immer irgendwas für irgendwen. „Das gibt mir vielleicht die Ruhe vor den Rennen“, vermutet sie. Vor dem zweiten Weltcuprennen dieser Saison dürfte sie weniger zur Ruhe kommen, der wird am Donnerstag in ihrem Heimatort Altenberg ausgetragen. Und dort, nahe der Grenze zu Tschechien, ist die 1,78 Meter große Fahrerin eine kleine Berühmtheit, spätestens seit Februar: Da wurde sie in Königssee zum ersten Mal Weltmeisterin.

Druck verspürt Diana Sartor deswegen nicht, kaum eine Athletin betreibt ihren Sport so unbeschwert wie die strickende Hausfrau aus dem Erzgebirge. Es stört sie nicht, dass der Weltverband FIBT die Bob- und Skeletonfahrer seit neuestem an einer Bahn zusammendrängelt und die Übungszeiten knapp werden: „Man sollte sich da nicht zu viele Gedanken machen. Es ist jetzt einfach mal so, und damit muss man zurechtkommen.“ Es ärgert sie auch nicht, dass die FIBT allen Skeletonis einheitliche Kufen verordnet hat: „Da muss man sich keinen Kopf machen, man muss damit zurechtkommen und das Beste draus machen.“ Aber dass sie am Start daherkommt mit dem Tempo einer Hausfrau, das beschäftigt sie doch, oder? Wo die ganze Szene nur davon erzählt, wie wichtig die Beschleunigung geworden ist und dass am Ende nur derjenige vorne ist, der es schon am Anfang war. „Ich bin nun mal nicht schneller“, sagt Diana Sartor, „da müssen sich eher die anderen Gedanken machen. Für die ist es viel schlimmer, wenn sie die Zeit auf der Strecke verlieren.“ Sie kommt jedenfalls prima damit zurecht, dass ihr die Konkurrentinnen auf den ersten Metern zwei, drei Zehntel abnehmen. Denn wenn sie erst einmal in Schwung gekommen ist, macht ihr keine mehr was vor: Je länger die Bahn, desto geringer werden die Aussichten, einen Vorsprung auf Sartor ins Ziel zu retten.

Diana Sartor ist ein Naturtalent, entdeckt hat sie das eher zufällig, in dem für Anfänger hohen Alter von vierundzwanzig Jahren. Bis dahin hatte sie außer in der Schule nie Sport gemacht. „Vielleicht ist das auch ein Vorteil, dass ich so spät angefangen habe“, sagt sie. Sie stand ja schon mitten im Ernst des Lebens, als sie den Spaß am Sport fand: Die gelernte Augenoptikerin hatte die Pension ihrer Eltern übernommen, als sie 1994 über gastierende Skeletonis erstmals in Kontakt kam mit diesem Randsport. Sie machte den Trainerschein, fuhr aber alsbald selbst allen davon. Nach einem Kreuzbandriss lag sie 1999 in der örtlichen Reha-Klinik Raupennest, wo man von ihrem chronisch fröhlichen Wesen so angetan war, dass man sie anstellte und ihr gleich wieder freigab, damit sie ihren Sport professionell betreiben kann.

Auch für ihre Pension zahlt sich das aus: „Jedes Mal, wenn das im Fernsehen erwähnt wird, habe ich danach eine Menge Anfragen für Übernachtungen.“ Während der Wintersaison hat sie freilich wenig Zeit, sich um ihre Gäste zu kümmern, da sorgt sie sich um Günther und Eberhard. So heißen ihre Rennfahrzeuge, weil sie es irgendwann doof fand, sich mit Trainer Jens Müller immer nur „über den Schlitten“ zu unterhalten. „Der ist für mich nicht nur ein Stahlgerüst“, sagt sie, „sondern er hat eine Persönlichkeit“. Das Ding brauchte also einen Namen, zuerst fiel ihr Günther ein, vor dieser Saison kam Eberhard dazu.

Wenn Diana Sartor über ihre Rennschlitten spricht, hört sich das tatsächlich an, als rede sie über menschliche Wesen. „Sie haben ja auch eigene Charaktere“, sagt sie. Bei Günther, dem älteren, platze schon der Lack ab, dafür sei der WM-Sieger vom Königssee weicher, sensibler; der junge Eberhard sei „eher die Nummer für Turin“, für Olympia 2006, aber: „Er muss noch rangeführt werden.“ Auch ein Schlitten brauche eine gewisse Routine, also eine bestimmte Anzahl von Fahrten, erzählt Sartor: „Wenn man einen Schlitten zum ersten Mal fährt, ist das wie ein Fremdkörper. Eberhard ist noch ein wenig steif, dem fehlt noch die Lockerheit.“ Aber darüber macht sie sich jetzt nicht wirklich Gedanken. Sie wird schon mit ihm zurechtkommen.