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Hausbesuch Angela Fugger von Glött – Fürstin, Krankenschwester, Perfektionistin – konnte sich, dank ihrer Ehemänner, an Vergangenheit und Zukunft binden: Der eine war 40 Jahre älter, der andere ist 35 Jahre jünger„Merkel heißt Angela wie ich“

Die Fürstin im Zedernsaal ihres Schlosses in Kirchheim/Schaben. Hier finden die jährlichen Konzerte statt

Von Judith Schacht (Text) und Boris Schmalenberger (Fotos)

Wenige Stunden vor dem Hausbesuch ruft der jetzige Ehemann der Fürstin an, um den Termin zu verschieben. Kurzfristig ist ihm etwas dazwischen gekommen. Die Fürstin Angela Fugger von Glött weigert sich nun, uns alleine zu empfangen („34 Jahre lang habe ich alles alleine gemacht. Jetzt nicht mehr“). Und wenn die Fürstin nicht will, dann will sie nicht. Mehrere Telefonate, fast schon Bettelanrufe, bringen nichts – bis das Stichwort Schokolade fällt. Mit Zartbitter und Vollmilch dürfen wir kommen.

Draußen: Sehr steil ist der Weg zum Schloss von Angela Fürstin Fugger von Glött in Kirchheim/Schwaben. Zu steil für Radfahrer, anstrengend für Fußgänger – aber es sind sowieso keine unterwegs. Auch in der Gastwirtschaft gegenüber des Schlosses sitzt keiner. Nur Autos fahren hoch und dann am Schloss vorbei. Dabei ist der Eingang in den Garten, der von einer zwei Meter hohen Mauer und Bäumen umgeben ist, offen.

Drinnen: Wieder ziemlich steil ist die Steintreppe, die hinauf zur hölzernen Eingangstür führt, und an deren Ende Angela Fürstin Fugger von Glött lächelnd die Besucher erwartet („Geben Sie mir die Schokolade“). Eigentlich muss man klingeln. „Portier“ und „Diener“ steht neben zwei schwarzen Knöpfen. „Der Diener ist unzuverlässig, spontan hat er frei genommen“, erklärt die Fürstin. Einen Portier gibt es nicht mehr, dafür aber eine „entzückende Haushälterin“, eine „liebe“ Köchin und einen „eifersüchtigen“ Hausmeister. Trotz ausreichend Personal führt uns die Fürstin höchstpersönlich nach oben in den Zedernsaal. An der Decke Abertausende Figuren und Ornamente, die ins edle Holz eingearbeitet sind. Deshalb kommen die Touristen – und wegen der Klassikkonzerte, die jeden Sommer stattfinden. Carl Orff hat hier musiziert, David Garrett auch. Vier Gehminuten weit entfernt ist die Küche, alles so wie vor 100 Jahren – bis auf den Flachbildfernseher und das Minions-Poster, das neben kupferfarbenen Zinnpfannen an der Wand hängt („Mein Mann liebt die“).

Das Fuggerschloss mit Garten

Angela von Kienlin: Erst mit 40 Jahren wurde Angela zur Fürstin Fugger von Glött und zur Schlossherrin. Da hat sie den Fürsten Joseph-Ernst Fugger von Glött, der damals 80 Jahre alt war, geheiratet („Wir haben uns blind verstanden, oft im selben Moment genau das Gleiche gesagt“). Adlig war sie davor schon, aber eben nur eine „von“. Ihr Geld hat sie als Kinderkrankenschwester verdient. Eine Arbeit, mit der sie durch die ganze Welt reisen, für sechs Wochen an einem Ort bleiben und dann weiterziehen konnte. Auch ins Fugger-Schloss kam sie eines Kindes wegen und hat so den Fürsten kennengelernt. Die große Liebe, aber eine kurze Ehe („Nach genau fünf Jahren, fünf Monaten und fünf Tagen Ehe ist er gestorben, glauben Sie das?!“).

Eingeschlossen: Die Fürstin ist schon in einem Schloss aufgewachsen („Unpraktisch war das, und nicht so schön wie dieses“). Bis 78 Meter lange Gänge und meterhohe Räume ist sie also gewöhnt, genauso wie deren Kehrseite: das elende Frieren („Minusgrade unter zehn habe ich schon erlebt“). Nachdem ihr erster Mann gestorben war, ist die ehemals Reisende auf dem Schloss in Kirchheim – 1.500 Bewohner hat das Dorf – geblieben. „Mein Mann und ich hatten angefangen das Schloss zu restaurieren. Ich habe dann alles alleine fertig gemacht, ganz genauso, wie wir es besprochen haben“, erzählt die Fürstin. Sie hat das viele Geld aufgebracht, das ein Schloss kostet und noch dazu ihr ganzes Erbe hingegeben. Sie hat gemacht, was das Schloss verlangt hat. 34 Jahre lang – alleine. („Kein Mann, den ich getroffen habe, hat mich interessiert.“) Trotzdem glänzen ihre Augen, wenn sie vom Schloss spricht, denn es ist so, „wie wir es wollten.“

Entschlossen: Ich habe Haare auf den Zähnen, sagt die Fürstin von sich selbst. Die habe sie bekommen, weil es alleine als Witwe mit Schloss nicht leicht sei. Eigensinnig aber war sie immer schon. Mit neun Jahren beschließt sie Kinderkrankenschwester zu werden, gegen den Willen der Eltern. Mit 40 Jahren heiratet sie den 40 Jahre älteren Fürsten. Das sehen viele nicht gern. Ein Luder nennt man sie deshalb. Dann mit 77 Jahren hat sie noch einmal geheiratet. Wieder heimlich. Ähnlich groß ist auch der Altersunterschied, der zwischen ihr und dem Ehemann liegt. Nur ist der dieses Mal 35 Jahre jünger. Der spanische Gitarrist José d’Aragón ist nach einem Konzert dageblieben. Es war einfach so, sagt die Fürstin dazu. Mehr aber nicht. Die Leute haben geredet, die Zeitung hat darüber geschrieben. Ihr ist es gleich: „Ich habe alles gemacht, was ich wollte. Ich habe aber nie etwas Falsches gemacht.“

Noch lange nicht abgeschlossen: Die nächsten Winter werde sie nicht mehr auf dem Schloss verbringen. Ihr junger Ehemann würde am liebsten ganz ausziehen. Aber das ist mit der Fürstin nicht zu machen. Jeden Sommer gibt es eine Konzertreihe im Schloss, die sie seit Jahrzehnten organisiert („Wie mein Mann es wollte!“). Einmal hat sie versucht, das Konzertmanagement abzugeben. „Derjenige hat sich überhaupt keine Arbeit gemacht und hat mir ein paar lächerliche Konzerte präsentiert. Da habe ich ihn gleich rausgeschmissen“, sagt die Fürstin mit ärgerlichem Blick. Die Fürstin verlangt Perfektion. Auch deshalb hat sie dafür gesorgt, dass in jedem Zimmer alles am richtigen Platz ist. Weil das andere oft nicht leisten können, muss sie selbst dafür sorgen, dass es richtig ist und alles da bleibt, wo es hingehört – sogar bis über ihren Tod hinaus. Sie zeigt die Gruft des fürstlichen Hauses Fugger von Glött. Im Innenhof führt eine lange Treppe hinunter. Feucht und modrig riecht es. Viele Fliegen. Die Grabstätten tragen fast alle schon Inschriften. Nur in der ersten Reihe unten ganz rechts ist eine unbeschriebene: „Da komme ich hin, neben meinen Mann.“

Was in einem Schloss in Bayerisch Schwaben nicht fehlt

Wann sind Sie glücklich? „Wenn ich auf einem Pferd sitze bin ich glücklich. Das ist meine Leidenschaft“, antwortet die Fürstin. Auch mit ihren 80 Jahren reitet sie regelmäßig. Sie hat es richtig gelernt auf einer Schule in München. Eine weitere Leidenschaft ist Schokolade. Sie könne nicht mehr aufhören, gibt die Fürstin zu. Tatsächlich hat sie während des Interviews die halbe Schachtel Merci mit Genuss aufgegessen.

Und wie findet Sie Angela Merkel? „Die ist in Ordnung. Die kann sich durchsetzen. Die heißt wie ich.“

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