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Hausbesetzung in BremenRäumung im Morgengrauen

Immerhin friedlich beendet: Am Dienstagmorgen wurde das besetzte Haus in der Bremer Kornstraße von der Polizei geräumt.

Am Dienstagmorgen geräumt: besetzes Haus in der Bremer Neustadt Foto: Leerstand Besetzen

Nach gut zwei Wochen ist die Besetzung der Gruppe „Leerstand gestalten“ in der Bremer Kornstraße vorbei. Am Dienstagmorgen gegen sechs Uhr räumte die Polizei das viele Jahre lang leerstehende Gebäude. Grundlage dafür war eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs, die der Eigentümer des Gebäudes in der Bremer Neustadt nach der Besetzung gestellt hatte. Die Räumung verlief ohne Gegenwehr, da sich die Be­set­ze­r*in­nen eigenen Angaben zufolge aufgrund gesundheitlicher Risiken entschieden hatten, nur noch tagsüber im Haus zu sein. Eine Handwerksfirma hat das Gebäude nun verschlossen.

Am Dienstagmorgen bot sich vor dem Mehrfamilienhauses in der Kornstraße ein eher ruhiges Bild. 13 Mannschaftswagen parkten gegen elf Uhr an der Straße vor dem Haus in der Kornstraße. Auf der gegenüberliegenden Seite, zwischen Aquaristik-Geschäft und China-Imbiss, standen die Be­set­ze­r*in­nen und ihre Unterstützer*innen, etwa 20 Personen. Die meisten von ihnen waren deutlich unter 30 und schwarz gekleidet.

Mit der Polizei gab es bis Redaktionsschluss keinen Konflikt. Aber nicht alle reagierten gleich gelassen auf das Geschehen: Eine vorbeifahrende Radfahrerin, Mitte 50 mit Strickmütze, hielt am Haus an. „Ach Mann, ich hatte gehofft, es geht mal anders aus“, sagte sie und schimpfte über die vielen Mannschaftswagen. „Was das kostet!“

Die Bedingungen im Haus seien gesundheitlich aber zu belastend gewesen, um eine dauerhafte Besetzung aufrechtzuerhalten. Viele Räume des dreistöckigen Gebäudes seien von Schimmel befallen. „Um uns selbst zu schützen, haben wir am Sonntagabend entschieden, nur noch tagsüber im Haus zu sein und dort nicht mehr zu übernachten“, sagt Lia Jansen, Teil der Be­set­ze­r*in­nen des Hauses.

Jahrelanger Leerstand und Schimmelbefall

Diese Gelegenheit nutzte die Polizei dann in den Morgenstunden. Da niemand mehr im Haus war, verlief die Räumung friedlich. Ein Sprecher der Polizei erklärte, man habe den Einsatz taktisch geplant und durchgeführt. Dass sich zum Zeitpunkt der Räumung jedoch niemand mehr im Haus befand, sei der Polizei im Vorfeld aber nicht bekannt gewesen.

In den vergangenen zwei Wochen war es den Be­set­ze­r*in­nen gelungen, viel Aufmerksamkeit auf das Haus in der Kornstraße zu lenken: Manche An­woh­ne­r*in­nen rund um die Kornstraße brachten Essen und Kleidung vorbei und zeigten Verständnis für ihr Anliegen, das Haus wieder bewohnbar zu machen. Caroline Breuer, Sprecherin von „Leerstand gestalten“, bekräftigte noch einmal: „Wir stehen weiterhin dafür ein, dass das Haus einer Selbstverwaltung unterliegt und zu einem Ort mit Gemeinschaftsräumen und bezahlbarem Wohnraum gestaltet wird.“

Die Be­set­ze­r*in­nen hatten bereits versucht, einzelne Räume wieder bewohnbar zu machen. Da im Gebäude jedoch Strom und Gas abgeschaltet wurden, gestaltete sich dieses Vorhaben als nahezu unmöglich. Das Haus bedarf einer umfassenden Kernsanierung, die die Be­set­ze­r*in­nen ohne größere finanzielle und fachliche Unterstützung kaum hätten bewältigen können.

In den Tagen vor der Räumung hatte die Gruppe versucht, sich auch außerhalb des Hauses mit dem Stadtteil zu vernetzen. Täglich wurde ein Programm mit Workshops sowie Lese- und Filmabenden angeboten. Immer wieder blieben An­woh­ne­r*in­nen stehen und kamen mit der Gruppe ins Gespräch. Laut der Gruppe zeige diese Offenheit, dass viele An­woh­ne­r*in­nen neugierig und grundsätzlich interessiert wären. Für die Gruppe war die wachsende Aufmerksamkeit aus dem Viertel einer ihrer größten Erfolge.

Ingmar Vergau von Haus & Grund, der den Eigentümer vertritt, zeigte sich mit dem Verlauf der Ereignisse zufrieden: „Wir sind froh, dass die Situation ohne Zwischenfälle beendet werden konnte und alles glimpflich ausgegangen ist.“

Das Haus in der Kornstraße 155 ausgewählt hatten die Besetzer*innen, weil es seit mehr als 20 Jahren größtenteils leergestanden habe, von temporären Zwischennutzungen abgesehen. Der mittlerweile 87-jährige Eigentümer habe am Erhalt des Hauses zu wenig unternommen. Vergau zieht daraus die Lehre, dass private Ei­gen­tü­me­r*in­nen – insbesondere ältere – von der Politik und der Öffentlichkeit bei der Sanierung und Instandhaltung ihrer Gebäude stärker unterstützt werden müssten. Laut Vergau ziehe der Eigentümer einen Verkauf des Hauses in Betracht. Mitarbeit: Eiken Bruhn

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