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Haus der Statistik in BerlinHand in Hand am Allesandersplatz

Am Alexanderplatz ziehen die ersten Nutzer ein. Möglich wurde das einzigartige Projekt durch eine Kooperation von Behörden und alternativer Szene.

Die Zukunft beginnt am Alexanderplatz schon jetzt Foto: Teleinternetcafé und Treibhaus

Berlin taz | „Allesandersplatz“: Der Schriftzug, der am First des stadtbildprägenden Kopfbaus am Alexanderplatz lange Zeit prangte, war keine bloße Behauptung. Zwar war das „Allesandere“ am Alexanderplatz zehn Jahre lang nur Idee, Vision, Planung. Nach der fertigen Sanierung des ersten Gebäuderiegels aber geht das Haus der Statistik in diesem Jahr ans Netz. Erster Nutzer wird das Finanzamt Mitte sein.

Einen „Wohlfühlort“ und einen „Zukunftsort“ nennt Birgit Möhring, Geschäftsführerin der landeseigenen Berliner Immobilienmanagment GmbH BIM, das, was da am Alexanderplatz entstanden ist. „Wir sind ganz besonders stolz darauf, mit dem Haus der Statistik und den vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten neue Geschichte zu schreiben.“

Die BIM ist eine von fünf Kooperationspartnerinnen, die möglich gemacht haben, was eigentlich unmöglich schien. Denn das neue Haus der Statistik wird kein Quartier werden, das aus einem Guss von einer Behörde oder einem Investor entwickelt wurde. Vielmehr entstand es Hand in Hand im Zusammenspiel von Behörden und alternativer Projekteszene.

Mit im Boot sind neben der BIM die Wohnungsbaugesellschaft Mitte WBM, das Bezirks­amt Mitte, die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und, nicht zuletzt, die Genossenschaft ZusammenKUNFT Berlin. Auch deren Vorständin Andrea Hofmann freut sich, denn bald können auch zahlreiche soziokulturelle Projekte in den Kopfbau ziehen.

Chronologie der Statistik

Seit 2008 stand das Haus der Statistik an der Nordseite des Alexanderplatzes leer. es war 1970 für die Statistikbehörde der DDR gebaut worden.

2015 schlug eine Initative vor, das Gebäude als Zentrum für Geflüchtete, Soziales und Kunst zu machen.

2017 übernahm das Land das Gelände. Initiativen und Behörden besiegelten ein Jahr später eine Kooperation.

2019 gewannen Teleinternetcafe mit Treibhaus Landschaftsarchitektur den städtebaulichen Wettbewerb.

2024 wurden 60 Projekte ausgewählt, die neben den Behörden einziehen sollen. Die soziokulturellen Nutzer werden in den Kopfbau und in die Erdgeschosse ziehen.

2025 ziehen die ersten Nutzer ein. Die Projekte bespielen die Freiflächen als „Stadt.Bühne“. (wera)

Es waren Stadtaktivistinnen, Architekten und alternative Projektentwickler, die vor genau zehn Jahren mit einer ungewöhnlichen Idee an den damals rot-schwarzen Senat herangetreten sind. Warum nicht aus dem seit 2008 leerstehenden Haus der Statistik mit seinen 46.000 Quadratmetern Grundfläche ein „Zentrum für Geflüchtete, Soziales, Kunst, Kreative“ machen? Das Angebot des Bundes, damals noch Besitzerin des aus mehreren Gebäudeteilen bestehenden Komplexes, eine Flüchtlingsunterkunft einzurichten, hatte der Senat zuvor verworfen.

Eine Idee zieht Kreise

Schnell zog die Idee ihre Kreise. Die Bezirksverordnetenversammlung von Mitte und auch der damalige Bezirksbürgermeister unterstützten die Initiative. Als der Bund dann das Haus der Statistik 2017 im Rahmen eines großangelegten Immobilientauschs an das Land gab, war der Weg für eines der bis dahin ungewöhnlichsten Projekts frei. Großen Anteil daran hatte auch der damalige Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD).

Dessen Vorschlag, den Sitz der ehemaligen Zentralverwaltung für Statistik der DDR zwischen Landesbehörden, Bezirk, Wohnungsbaugesellschaft und Initiative aufzuteilen, war für die Initiatoren zunächst harter Tobak. Am Ende aber erwies sich genau dieser „Share Deal“ als Erfolgsgemeimnis. Und für den Bezirk Mitte war er ein Glücksfall. Weil der ein neues Rathaus brauchte – der Vertrag für das Berolinahaus läuft 2028 aus –, bot sich plötzlich die Möglichkeit für einen Neubau. 2018 wurde dann eine erste Kooperationsvereinbarung zwischen den ungewöhnlichen Partnern unterzeichnet.

Der Innenhof des Hauses der Statistik. in den Riegel rechts ziehen das Finanzamt und die BIM Foto: Christian Thiel

Das Finanzamt Mitte wird im Frühjahr als erste Nutzerin in die frisch sanierten Büroräume an der Otto-Braun-Straße ziehen. Im Herbst folgt dann die BIM. Für den Neubau des Rathauses beginnt in diesem Jahr die zweite Phase eines Architekturwettbewerbs. Die Ansprüche sind hoch, ganz unbescheiden nennt der Bezirk sein Bauvorhaben „Rathaus der Zukunft“. In ihm sollen auch eine Betriebskita sowie Duschen für Mitarbeitende entstehen. In der ersten Phase wurden im Dezember aus 157 Bewerbungen 20 Entwürfe ausgewählt. Im April soll schließlich der Siegerentwurf gekürt werden.

Mittes Stadtrat für Stadtentwicklung Ephraim Gothe (SPD) kann es jedenfalls kaum erwarten: „Ich freue mich, dass das Projekt Haus der Statistik mehr und mehr von der Planung in die Realisierung geht“, teilt er mit. „Mit dem anstehenden Abschluss des Architekturwettbewerbs und der Auswahl eines Siegerentwurfes für das Rathaus der Zukunft können sich die Berlinerinnen und Berliner endlich ein besseres Bild vom neuen und modernen Verwaltungsgebäude und den umliegenden Außenbereich machen.“ Allerdings müssen sie auf die Realisierung noch eine Weile warten. Erst 2029 soll mit dem Bau begonnen werden. Die Kosten sollen bei 186,5 Millionen Euro liegen.

Preisgebundene Wohnungen

Etwas früher könnte es mit dem Wohnungsbau losgehen. 290 Wohnungen plant die WBM auf dem hinteren Teil des Geländes, der nicht lärmbelastet ist. 181 davon sollen mietpreisgebunden sein. Noch in diesem Jahr soll mit den Abrissarbeiten der nicht mehr benötigten Bestandsgebäude begonnen werden. Im Herbst können dann die Bauanträge gestellt werden. Fazit von WBM-Chef Lars Dormeyer: „Wir kommen ein gutes Stück voran.“

Die Genossenschaft selbst hat bereits die schwierigste Aufgabe hinter sich. Aus 300 Bewerbungen wurden 60 Initiativen und Institutionen ausgewählt, die in die subventionierten Räume ziehen sollen. 9.000 Quadratmeter stehen ihnen dabei im Kopfbau zur verfügung. Dazu kommen noch die Erdgeschossflächen in den anderen Gebäuden.

„Nach Jahren der kooperativen Entwicklung und Aushandlung, freuen wir uns, dass im Jahr 2025 die vertraglichen Rahmenbedingungen geschaffen werden“, sagt Vorständin Hofmann. Ziel sei es, „im Quartier langfristig sichere Wohn- sowie Gewerbeflächen für vornehmlich soziale, kulturelle, bildende und auf nachhaltiges, ressourcenschonendes Wirtschaften und Produzieren ausgelegte Nutzungen zu leistbaren Mietkonditionen“ zu realisieren.

Da, wo lange „Allesandersplatz“ stand, wird also auch weiterhin die Schauseite des Hauses der Statistik sein.

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