"Haus der Kleinen Forscher" in Berlin: Kleene wollen allet alleene machen
Salman Ansari, eine Art Berater fürs Staunen, und das "Haus der Kleinen Forscher" zeigen, wie einfach Naturerforschung ist. Lernen gilt als "Drang zur Selbständigkeit".
Wunderliche Dinge geschehen im Berliner Roten Rathaus. Vorne steht ein Wasserbassin. Ein Mann legt dort abwechselnd Gemüse hinein. Nicht ohne vorher zu fragen, ob die Zucchini, der Kürbis oder die Traube wohl schwimmen - oder ob sie untergehen.
Vor ihm sitzen 300 Erzieherinnen, und sie haben ihn erst milde belächelt. Jetzt, da Salman Ansari fragt, ob eine Kartoffel untergehe oder nicht, werden sie nervös. Denn sie wissen: Der Naturwissenschaftler, der eine Art Staun-Berater für Kitas ist, wird sie garantiert fragen: Können Sie mir das erklären?
Ansaris Vortrag ist gar keiner, sondern eine permanente Denksportaufgabe, eine "Schule des Staunens", wie sein Buch heißt. "Halbieren Sie die Kartoffel doch noch mal", sagt Ansari der Erzieherin, als die halbe Kartoffel immer noch untergeht. Da merkt die Erzieherin, dass sie es sich zu einfach gemacht hat. Sie kommt ins Schwitzen, aber dann fällt ihr ein, wie sie die Kartoffel zum Schwimmern bringen kann. Sie höhlt sie aus und setzt sie vorsichtig ins Wasserbecken.
"Naturwissenschaften sind nicht immer ein Schaltkreis oder eine komplizierte Formel", sagt Peter Rösner. "Das ist nicht die Welt, das ist die Schulphysik. Wir wollen aber, dass die Erzieherinnen ihre Angst verlieren und wissen, dass sie für eine naturwissenschaftliches Aha-Erlebnis mit Kindern keinen Experimentierkasten brauchen."
Rösner ist Geschäftsführer des "Haus der Kleinen Forscher", das ist ein Ableger der Helmholtz-Forschungsgemeinshaft und will Kinder und Erzieher neugierig machen. 15.000 Kitas erreicht das Haus mit seinen Fortbildungen. Bald will Rösner die ersten Grundschulen mit einbeziehen. 2011 soll es losgehen.
Wenn man so will, ist Rösner der erste Erkundungstrupp des weltweiten war for talents, des Kampfes um die besten Köpfe. Denn ganz so uneigennützig ist das Haus nicht. Sein Vorsitzender, Jürgen Mlynek, beschäftigt in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungzentren fast 20.000 WissenschaftlerInnen. Dafür müssen Mlynek und Rösner viel Nachwuchs heranziehen. Früh übt sich.
Im Berliner Zoo zieht sich ein sechsjähriger Junge an den Ohren des berühmten Metallnilpferds nach oben. Er will es seinem Geschwister gleichtun, das auf dem Rücken des Tieres thront. Der Vater hilft ungefragt und setzt seinen Sohn mit einem Schwung aufs Nilpferd - aber der Junge bricht in Heulen und Schreien aus und gibt erst Ruhe, als er wieder selbst klettern darf. "Der Kleene will allet alleene machen", sagt der Vater verdutzt. Er ist beleidigt über seinen Filius.
Diese Geschichte erzählt Salman Ansari gern, um zu zeigen, was die fundamentalen Anstöße des Kindes zum Lernen sind: Der Antrieb zur Nachahmung, der unaufschiebbare Drang zur Selbständigkeit, die Zurückweisung der Belehrung. Böse gesagt alles das, was im Schulunterricht eigentlich nicht stattfindet. "Das Problem des Unterrichts ist", sagt Salman Ansari, "dass die Lehrer recht haben."
Was Ansari und Rösner gemeinsam haben, ist, dass sie innertes Wissen nicht mögen, das ist regungsloses Wissen, das nicht in Dialog treten kann. "Die Beobachtung eines Phänomens oder eines Experiments mit unerwartetem Ausgang motiviert Kinder unglaublich, in Dialog zu treten", sagt Rösner. Und zeigt auf den Saal voller Erzieherinnen, die die ganze Zeit über Ansaris Aufgaben sprechen.
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