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Hauptsache weit und schlabberig

■ In Weißensee traf sich am Wochenende zwar nicht die Jugend der Welt, aber der berlin-brandenburgische Nachwuchs, um Streetball zu spielen

Die Senatsverwaltung für Jugend, Familie und Sport hatte gerufen. Und alle kamen. Selbst aus Brandenburg reisten sie am vergangenen Samstag an. Motto der Veranstaltung gegen Gewalt und Ausländerhaß: „Einmischen statt Aufmischen“. Doch das war ihnen ziemlich schnuppe. Denn die Youngster unterschiedlichster Hautfarbe, Sprache und Mentalität wollten nur eins: Streetball, eine vereinfachte Variante des Basketballs, spielen.

Der Austragungsort „Die Halle“ in Weißensee: ein Industriebau der untergegangenen DDR. Szenegerecht schwarz getüncht. Der Wind peitschte den Regen durch das defekte Dach. Über 150 Teams wollten an den Start. Aber mit 64 Mannschaften platzte die Halle schon aus allen Nähten. 40 Mark Startgebühren berappten die Mannschaften. Ein eigenes Mädchenturnier gab's natürlich auch, unterteilt wurde in verschiedene Altersklassen.

Dumpfe und hämmernde Bässe ließen nicht nur den Putz rieseln, sondern auch keinerlei Gespräche zu. Aber darum ging es den Spielern auch nicht. Lediglich der mitgebrachte Familienanhang, meist älteren Semesters, litt – still und leise. Die Musik entlehnten die Macher dem amerikanischen Vorbild. Ebenso die Kleidung: weit und schlabberig. Nur noch ein deutscher Hersteller konnte mit Polyesterkleidung aus den siebziger Jahren die coolen Fummel überbieten. Je glitzernder und künstlicher, desto besser. Die Shirts mit den Nummern 23 (Michael Jordan) beziehungsweise 30 (Scottie Pippen) der Chicago Bulls waren die beliebtesten Trikots. „The American way of life“ wurde aber nicht nur über die Klamotten definiert. Auch mit Gestik, Mimik, und sogar den Haarschnitten kopierten die Spieler ihre großen Stars der National Basketball Association (NBA).

Aber dem amerikanischen Vorbild wurde die Veranstaltung dann doch nicht so gerecht. Eines der wesentlichen Elemente des Streetballs – das faire Spiel ohne Schiedsrichter – blieb bei dem Turnier auf der Strecke. Schlimmer noch, die Kids prügelten aufeinander ein, daß nichtsahnenden Besuchern Hören und Sehen verging. Besonders hervorzuheben: das Spiel der Teams der „Dumpfbacken“ gegen „The 4 non Brownes“.

Wenigstens die Namen der Mannschaften zeugten von einer gewissen Kreativität. Die Herkunft der Namen war meistens schnell ergründet. Die körperlichen Merkmale („Die langen Vier“), die Vorbilder („The Magic Four“) oder der Stadtbezirk („Hellersdorf-Boys“) standen meist Pate. Schleierhaft blieben allerdings die Namen „Schlesien I“ und „Schlesien II“. Die jeweiligen Turniersieger wurden dem „körperlosen Spiel“, wie es die Regel besagt, am besten gerecht. Krönender Abschluß des Turniers sollte eine HipHop-Dance Party sein. Die wurde dann aber mangels Beteiligung abgeblasen. Peter Tietze

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