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Archiv-Artikel

Hauptsache, den Hut aufbehalten

SPD UND KOALITIONSRÄSON

Das war kaum zu erwarten, zumindest nicht so früh: Am vergangenen Montagmittag schickten die Fraktionen von SPD und CDU eine gemeinsame Mitteilung. Darin verkündeten sie Einigungen der Koalition über Wohnungsneubau, Liegenschaftspolitik, Mindestlohn.

Noch am Freitagnachmittag hatte es aus der SPD-Fraktion geheißen: Vor der Bundestagswahl am 22. September wird das nichts mehr mit der CDU und sozialdemokratischen Herzensanliegen wie dem Landesmindestlohngesetz. Gerade hatte sich die CDU erstmals seit Beginn des Bündnisses in nennenswertem Maße durchgesetzt: Bei der Resolution des Abgeordnetenhauses zum Energie-Volksentscheid hatte sie mit ihrer klar ablehnenden Haltung Erfolg und zeigte mit Kommunalisierungskritik mitten im Wahlkampf ordentlich Profil.

Doch schon am Montag muss SPD-Fraktionschef Raed Saleh ganz schön auf den Tisch zwischen ihm und seinem CDU-Kollegen Florian Graf gehauen haben: Mit der Bremserei der Wohnungsbauförderung soll jetzt Schluss sein. Und ganz fix startete plötzlich das parlamentarische Verfahren zur Einführung einer Mindestlohnregelung für die Landesbeschäftigten, die freilich mehr symbolischen Charakter hat. Denn die vielen Niedriglöhner in der Stadt sind kaum beim Land und seinen Betrieben beschäftigt. Am ehesten noch bei Projektträgern, die Geld aus dem Landeshaushalt bekommen – aber für die braucht es noch eine wirksame Kontrolle, ob sie sich an die Verpflichtung halten.

Das Symbol immerhin konnte die SPD der CDU abringen, noch vor dem 22. September. Der Hut mag also ein wenig verrutscht sein, doch die Sozialdemokraten haben ihn in der Koalition immer noch auf. Das zeigt jedoch im Umkehrschluss, was der SPD die Kommunalisierung der Energieversorgung wert ist: nichts. Das Bekenntnis zum Volksbegehren opferte sie dem Profilierungsbedürfnis der CDU. Für Berlins Bewerbung um das Stromnetz und die Stadtwerksgründung heißt das nichts Gutes. Dringender denn je braucht es dafür einen Erfolg des Volksentscheids am 3. November.

SEBASTIAN PUSCHNER