: Hasch und Haie
Danny Boyles „The Beach“ läuft als Stranddrama mit Leonardo DiCaprio im Wettbewerb der Berlinale ■ Von Katja Nicodemus
Er zieht das Wasser einfach an, weil er so durch und durch sauber wirkt. Ob im eiskalten Atlantik oder im pazifischen Ozean, ein nasser DiCaprio ist die reine Tautologie, denn er sieht sowieso immer aus wie eine frisch geduschte one-man boy group. Sekrete produziert dieses Wesen ohne secrets keine, deshalb wirken Schweißperlen auf seiner glatten Stirn eher wie Rauhreif oder wie die Kondensationströpfchen auf einer frisch gekühlten Apollinaris-Flasche. Leonardo-Milupa-Kind, Muttersöhnchen, Schwulenschwarm, Pixie-Boy und seit neuestem auch Badehosen-Model mit Waschbrettbäuchlein.
In „The Beach“ hebt sich das blitzblanke Blondchen als allein reisender amerikanischer Touri erst mal wohltuend gegen einen schmierigen unrasierten Robert Carlyle ab, der sich im Nebenzimmer seiner Bangkoker Absteige die Birne zukifft, wirres Zeug faselt und noch dämonischer dreinblickt als bei seiner Bösewichtrolle im letzten James Bond. Ein psychedelisierter Neckermann-Vertreter, der den abenteuerlustigen Richard mit einer gekritzelten Landkarte heiß macht auf eine verwunschene Insel: weißer Sand, türkisfarbenes Wasser, easy going, Haschplantagen – the beach eben.
Wenn DiCaprio zugleich fasziniert und abgestoßen durch ein neonschrilles bierdampfendes Bangkok spaziert, wenn die Stadt ihr sexgeiles Touristenpanoptikum vorführt, wenn die Spannung des Filmbeginns eins wird mit der Gespanntheit seines gerade angekommenen Helden – dann sollte man genau hinschauen, denn diese ersten Minuten sind leider auch schon die besten. In downtown Bangkog ist „Trainspotting“-Regisseur Danny Boyle in seinem Element, aber sobald sich seine touristische Minigruppe (Guillaume Canet, DiCaprio, Virginie Ledoyen) zur geheimen Insel aufmacht, unterscheidet sich die Kamera kaum mehr von einer Seychellenreportage im Sonntagsfernsehen. Wahrscheinlich war es Terrence Malick, der in „The thin red line“ zuletzt Bilder gefunden hat für eine „reine“ Natur, hinter der sich genau das Verderben verbirgt, dem man mit all dem Zivilisationsekel entkommen möchte.
In „The Beach“ finden DiCaprio & Co zwar unberührte Natur, aber auch ein Häuflein Hippies, das sich mit seiner Anführerin (Tilda Swinton), einer Mischung aus Hohepriesterin, Hysterikerin und autoritärer Grundschullehrerin, unter Palmen lümmelt. Die Utopie der friedlichen Multikulti-love-and-peace-Community, in der Finnen, Amis und Franzosen einträchtig miteinander fischen, ficken und feiern, wirkt von Anfang an unfreiwillig satirisch. Deshalb ist es auch nicht so dramatisch, dass sie ziemlich schnell an den üblichen anthropologischen Konstanten, unter denen solche Paradiese leiden – Eifersucht, Neid, Egoismus – zerschellen wird.
Für DiCaprio bedeutet das eine Mondscheinromanze mit Virginie Ledoyen und dann Rückzug in den Dschungel. Wenn er hier als Möchtegernrambo ein imaginäres Computerspiel mit sich selbst als Helden spielt, Fallen baut, Käfer isst und die früheren Gefährten von Ferne bespitzelt, verliert sich „The Beach“ irgendwo zwischen Zivilisationskritik, Metazivilisationskritik und einer hip geschnittenen Jungsfantasie, die eigentlich nur mit jeder Menge Drogen ihre Berechtigung hätte (aber natürlich sieht man DiCaprio nur einmal verschämt am Joint des diabolischen Carlyle ziehen).
Der Mythos von „Paradise Lost“ und die Handlung von „Herr der Fliegen“ auf Calvin Klein gestylt – da wirken sogar die von einer wütenden Haimutter zerfetzten Hippiebeine wie für Benetton-Fotos drapiert. Das wahre Böse lauert in „The Beach“ letztlich sowieso nicht unter der dünnen Decke der Zivilisation, sondern im Wasser und in den Gesichtern der auf dumpfbackig gecasteten thailändischen Haschbauern.„The Beach“. Regie: Danny Boyle. Mit Leonardo DiCaprio, Virginie Ledoyen, Robert Carlyle, USA, 119 Min. Heute, 19.30 Uhr Berlinale-Palast; 13. 2., 21 Uhr Royal Palast; 14. 2., 22.30 Uhr International
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