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Hartz-IV-UrteilKindergeld kein Plus

Hartz-IV-Familien haben keinen Anspruch auf Kindergeld als zusätzliche Leistung, sagt Karlsruhe. Kläger bemängeln die resultierende Benachteiligung.

Für Hartz-IV-Bezieher ist das neue Urteil eine Benachteiligung. Bild: apn

Das Kindergeld wird weiter voll auf Hartz-IV-Leistungen angerechnet. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht. Ein 15-Jähriger aus Niedersachsen hatte gemeinsam mit seinen langzeitarbeitslosen Eltern dagegen geklagt.

Derzeit erhält eine Hartz-IV-Familie für ein 15-jähriges Kind 287 Euro Sozialgeld pro Monat. Das Kindergeld in Höhe von derzeit 184 Euro, das allen Eltern zusteht, wird bei Hartz-IV-Familien nicht zusätzlich zum Sozialgeld ausgezahlt, vielmehr wird das Sozialgeld entsprechend gekürzt, es bleibt also bei 287 Euro Staatsgeld für das 15-jährige Kind. Auch Erhöhungen des Kindergelds nutzen deshalb Hartz-IV-Familien nichts, für sie ist nur die Höhe des Sozialgelds relevant.

Die niedersächsische Familie hatte nun verlangt, dass ihr das Kindergeld zumindest zur Hälfte zusätzlich zum Sozialgeld ausbezahlt werde. Sie hätte dann monatlich 92 Euro mehr für das Kind bekommen.

Karlsruhe lehnte die Verfassungsbeschwerde nun in vollem Umfang ab. Das Grundrecht auf "Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums" werde durch die volle Anrechnung des Kindergelds nicht verletzt. Ob die Leistungen insgesamt ausreichen, hat Karlsruhe schon im Februar geprüft und verlangt, dass das Sozialgeld für Kinder bis Ende des Jahres neu berechnet werden muss. Der Gesetzgeber durfte den Hartz-Satz für Kinder nicht einfach aus den Sätzen für Erwachsene ableiten.

Die Richter bekräftigten zudem, dass der Staat gut verdienenden Eltern für ihre Kinder mehr Steuervorteile geben darf, als er Hartz-IV-Empfängern für ihre Kinder als Sozialgeld bezahlt. Das Steuerrecht dürfe Eltern auch über existenznotwendige Aufwendungen hinaus fördern. Da die kindbedingten Steuervorteile pro Monat maximal 245 Euro betragen, ist dies aber nur bei Hartz-IV-Kleinkindern relevant, die 215 Euro Sozialgeld erhalten. Größer ist allerdings die Lücke im Vergleich zu Eltern, die kein Hartz IV beziehen. Sie erhalten für das erste Kind nur 184 Euro Kindergeld pro Monat, also deutlich weniger als die maximalen Steuervorteile. Dies hat Karlsruhe aber schon in früheren Entscheidungen gebilligt. (Az.: 1 BvR 3163/09)

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7 Kommentare

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  • L
    Leistungsbetrug.blog.de

    Wenn schon die Verfassungsfeinde im Verfassungsgericht sitzen, dann ist es mit dem Recht für die Verlierer im Wettbewerbswirtschaftssystem schlecht bestellt.

    Die meisten Richter sind bequem oder überfordert. Sie sind ihr Geld nicht wert und schaden täglich der Justiz.

    Meine Erfahrungen machten ähnlich auch andere Menschen in diesem Postnaziland.

  • G
    Gunter

    Wer Kinder in die Welt setzt, sollte sich auch um die Versorgung kümmern. Man kann nicht die gesamte Verantwortung für den eigenen Unterhalt und den seiner Kinder gleichgültig auf die Gemeinschaft abwälzen. Das Urteil ist gerecht, da Hartz4 und Kindergeld Transferleistungen des Staates sind. Anstatt ewig nur Einzufordern, sollten die Betroffenen endlich lernen wieder auf eigenen Füssen zu stehen, sonst werden deren Kinder auch wieder nur Sozialhifeempfänger werden.

  • W
    Wolfgang

    Klarheit zur geleugneten Wahrheit: Die bürgerliche Justiz ist ein Teil der realen Kapitalherrschaft (nicht nur) in der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist Klassenjustiz! In der Klassengesellschaft gibt es nichts anderes als Klassenjustiz. Es gibt keine 'Neutralität der Justiz'. Diese Ideologie - von der 'Neutralität der Justiz' - ist ein Teil der Herrschaftsideologie der bürgerlichen Gesellschaftsordnung. In Wahrheit ist diese Ideologie von der 'Neutralität' ein ideologisch-psychologischer Nonsens. Allenfalls existiert diese 'Neutralität der Justiz' in der schulischen und universitätspolitischen Ausbildung - und psychologischen Märchenstunde. Die Entscheidungen der Justiz dienen ausschließlich der Stabilisierung und Absicherung der bestehenden Herrschaftsverhältnisse (analog wie in der kath. Kirche) etc.

  • H
    hartnäckig

    Das Kindergeld wird unabhängig vom Einkommen gezahlt. Nur bei ALG II-Empfängern nicht. Deren Kinder sind Menschen zweiter Klasse.

  • HK
    Hardy Klag

    Ich kann den Betroffenen nur raten vor den Europähischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen und versuchen dieses Urteil anzufechten. Es ist eine Schande, das die Kinder von Bürgern, die ein Arbeitsplatz noch haben, mehr wert sind, als von Hartz IV Empfängern. Hat man beim BVerfG vergessen, das Kinder auch Geld kosten? Das ganze Hartz IV System müsste mal endlich vom Europähischen Gerichtshof für Menschenrechte überprüft werden. Ich kann mir nicht vorstellen, das diese Überprüfung ohne Beanstandung an Hartz IV abgeht.

  • JK
    Juergen K

    Letztlich hat noch niemand eine Erklärung beim Verfassungsgericht eingeholt wie "nicht evident unzureichend" interpretiert werden muss:

     

    1)

    - Hartz4 ist nicht definitiv unzureichend.

    Der Regelsatz kann als ausreichend angesehen

    werden.

    2)

    - Hartz4 ist unzureichend.

    "Nicht evident", also "nicht augenscheinlich"

     

    konnte das nur nach tiefen Recherchen in den

    undurchsichtigen Methoden festgestellt werden.

     

    Eine solche Erklärung des VVG sollte eingeholt und publiziert werden.

    -----------------------------------------------------

     

    Ich tendiere eindeutig bei "nicht evident" unter Zuhilfenahme der Ausführungen zur INTRANSPARENZ und weiterhin durch die Bezüge des VVG auf Jahre zurückliegende Hintergründe und notwendige Befragungen der Regierungen.

     

    Schliesslich wurde nicht die Intransparenz als solche als originärer Grund bzw. hauptgrund für die Verfassungswidrigkeit hervorgestellt;

     

    denn diese Intransparenz macht es "nicht evident".

     

    Im Gegenteil war es die Unzureichenheit bei

    A U S H E B E L U N G des Sozialstaatsprinzips

    als Urteilsgrund.

     

     

     

    GANZ EINDEUTIG zu 2).

  • A
    Amos

    Am BVG wären unabhängige Richter vonnöten und

    keine Richter,die von der Politik dort eingeschleust werden und so gegenüber den Parteien ihre Dankbarkeit

    beweisen müssen. "Jemand der satt ist, kann kein gutes Menü zubereiten".