Hartmut El Kurdi : Schwadronierminister Weimer
Ich weiß gar nicht, woher die Empörung über die geplante Bestellung Wolfram Weimers zum Kulturstaatsminister kommt. So teasen die Kollegen der Süddeutschen Zeitung ihren Artikel über den nationalkonservativen Publizisten mit dem zweifellos hübschen Satz an: „Dass sich der Medienunternehmer für Kultur interessiert, war bislang nicht bekannt.“ Die Frankfurter Allgemeine Zeitung wiederum zitiert wirres Zeug aus Weimers „Konservativem Manifest“ und lässt ihn sich so selbst vernichten, weil er in diesen Zitaten beweist, dass er erstens keine Ahnung von Kulturgeschichte hat, aber zweitens trotzdem gern darüber schwadroniert.
Jetzt mal ernsthaft: Wen zum Teufel sollte einer wie Friedrich Merz denn sonst auswählen? Merz ist der Mann, der aus Bassam Tibis Idee einer europäischen Leitkultur ignorant und populistisch eine nationalistische „deutsche Leitkultur“ machte. Und er ist der Mann, der zur Belustigung seiner nicht alphabetisierten Parteifreunde Robert Habeck als „Kinderbuchautor“ beschimpfte und das für einen gelungenen Hodentritt hielt.
Es ist keineswegs schlimmer, den Posten des Kulturstaatsministers mit einer nach rechts außen torkelnden publizistischen Krawallschachtel zu besetzen, als wenn ein nach rechts außen torkelnder und regierungsunerfahrener Finanzheuschrecken-Lobbyist zum Bundeskanzler gewählt wird.
Interessanter als Weimers Berufung ist die Besetzung des Digitalministeriums mit dem CEO von MediaMarkt, Karsten Wildberger. Im besten Trump’schen Sinne denkt Merz hier innovativ und „out of the box“: Warum die Digitalisierung nicht von jemandem vorantreiben lassen, der weiß, wie man Rabattaktionen für Computer, Tablets und Smartphones gestaltet?
Zugleich ist diese Entscheidung aber auch traditionsbewusst. Weil sie uns augenblicklich daran erinnert, wie Helmut Kohls Postminister Schwarz-Schilling die damals schon veralteten Kupferkabel von Privatunternehmen verlegen ließ, und wie es dann – völlig überraschend – zu Interessenkonflikten kam, weil eine der daran beteiligten Firmen Frau Schwarz-Schilling gehörte. Und der Postminister dort zuvor als Geschäftsführer gearbeitet hatte.
Die überzeugendste Personal-entscheidung von Merz heißt jedoch Alexander Dobrindt. So sieht es aus, wenn der Kanzler endlich wieder von einer christlichen Partei gestellt wird. Wir sehen hier tätige Nächstenliebe, einen Akt der Barmherzigkeit: Merz gibt einem Sünder eine zweite Chance!
Dobrindt leistete einst als Verkehrsminister die entscheidende Vorarbeit für das Maut-Fiasko seines Nachfolgers „Dr.“ Andreas Scheuer und hat somit auch die 243 Millionen Euro, die dieses den Steuerzahler nun kostet, politisch mit zu verantworten. Nun bekommt diese verkrachte Existenz als Innenminister die Möglichkeit, noch mal von vorne anzufangen! Recht so. Denn wer von euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Autobahn-Leitpfosten.
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