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AnalyseHarte Landung

■ Japan einigt sich endlich über die Sanierung des Bankenwesens

Die erstaunliche Fähigkeit der japanischen Politiker, Erwartungen in der Bevölkerung und im Westen zu enttäuschen, konnte vergangene Woche hautnah miterlebt werden. Auf einen neuen Streit zwischen den regierenden Liberaldemokraten (LDP) und der Opposition über die Gangart im Finanzsektor reagierte die Börse in Tokio mit einer gefährlichen Talfahrt. Der Warnschuß hat vorübergehend gewirkt. Premier Obuchi und seine LDP beugten sich übers Wochenende den Forderungen der Opposition und stimmten prinzipiell einer Gangart zu, die für eine Vielzahl von Banken zur „harten Landung“ führen wird.

Harte Landung Japan einigt sich endlich über die Sanierung des Bankenwesens

Die Unterschiede zum ersten Kompromiß sind je nach Lesart der verschiedenen Politiker riesengroß oder minimal. Laut oppositioneller Kräfte hat die Regierung praktisch nachgegeben: Danach wird die faktisch bankrotte Großbank Long Term Credit Bank (LTCB) vorübergehend unter staatliche Kontrolle gestellt, indem die Regierung ausstehende Aktien erwirbt. Nach einer Sanierung der Bank soll sie zum Verkauf freigegeben werden. Eine Fusion mit der interessierten Sumitomo Trust Bank ist anzustreben, aber nicht zwangsläufig zu vollziehen. Öffentliche Gelder für die LTCB werden dabei kaum fließen.

Damit ist die harte Landung für die LTCB besiegelt und der Sieg der Opposition in diesem zentralen Streitpunkt klar. Für die regierende LDP werden die kommenden Wochen zu einer Bewährungsprobe ausarten, weil mit der staatlichen Aufsicht über die LTCB auch die Bilanzen und Geschäftsverbindungen offengelegt werden müssen. Das wird Skandale nach sich ziehen, in denen einige prominente Köpfe von LDP-Spitzenpolitikern rollen könnten. Damit in diesem Liquidierungsverfahren die Regierungspartei und die mit ihr liierten Bürokraten im Finanzministerium nichts verdunkeln können, soll eine unabhängige Kommission mit der Abwicklung beauftragt werden. Die Macht des Finanzministeriums ist also bereits im Vorfeld der Gesamtsanierung maßgeblich beschnitten worden. Andere Banken, die eventuell Spareinlagen nicht mehr auszahlen können, müssen künftig ebenfalls dieser Finanzkommission ihre Bilanzen öffnen. Sollte die Bank zu schwach sein – das betrifft vor allem die 250 Regionalbanken – kann sie sofort liquidiert werden.

Sicher bleibt, daß Spareinlagen von der Einlagenversicherung, die notfalls mit Steuergeldern alimentiert wird, gesichert bleiben. Ebenso werden gesunde Kreditnehmer liquide gehalten, um einen weiteren Schock in der Volkswirtschaft zu verhindern. Bricht kein neuer Streit über die Details aus, dann dürften die notwendigen Bankgesetze bis spätestens am 7. Oktober verabschiedet werden. André Kunz

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