piwik no script img

Hart gegen Solidarpakt

■ Gewerkschaften und Personalräte bleiben beim Nein zu Arbeitszeit- und Gehaltskürzungen / Hoffmann sendet neues Signal

Reinhard Hoffmann stehen harte Zeiten ins Haus. Der Chef der Senatskanzlei soll die Verhandlungen über den groß angekündigten Solidarpakt führen – doch diejenigen, mit denen er reden soll, wollen überhaupt nicht so, wie die Große Koalition es sich wünscht. Der Gewerkschaften und die Personalräte im Öffentlichen Dienst beharren auf ihrer harten Linie: 9,1 Prozent Arbeitszeit- und Gehaltskürzungen – nicht mit uns. Unterdessen hat Hoffmann noch einmal einen neuen Vorschlag präsentiert. Über den sollen Hoffmann und Johannes Beermann, der neue Chef der Senatskommission für das Personalwesen am 8. November mit den Gewerkschaften reden.

Die Senatskanzlei hat allen Grund zur Eile. Die Haushaltslage stellt sich noch dramatischer dar, als zu Beginn der neuen Großkoalition, und bei keinem der anvisierten großen drei Einsparprojekte stehen die Aktien besonders günstig. Einnahmen aus dem BEB-Verkauf sollen eigentlich den Haushalt von 1996 entlasten, hatte Finanzsenator Ulrich Nölle auf der hundert-Tage-Pressekonferenz angekündigt – dabei ist immer noch völlig unklar, welche Bereiche der BEB wie teuer überhaupt verhökert werden können. 1997 sollen Einnahmen aus dem Teilverkauf der GEWOBA in die Kassen fließen – das geht nicht, weil im bis 1998 geltenden Gesellschaftervertrag der Verkauf nur geht, wenn die beteligten Banken zustimmen. Und die wollen nicht. Entsprechend war die Reaktion des Sparkassenvorständlers Frick zu dem Nölle-Plan: „Blödsinn“. Und der Solidarpakt rummst an die Mauer gewerkschaftlichen Widerstands.

Kein Wunder, daß Reinhard Hoffmann die Arbeitnehmerbedenken aufweichen will. Motto: harte Drohungen, leichte Zugeständnisse. Es gehe um die Vermeidung von Entlassungen, die nur die jüngeren ArbeitnehmerInnen im Öffentlichen Dienst treffen könnten. Aber dafür könne man ja über die Ausgestaltung des Solidarpakts nochmal reden. Zum Beispiel darüber, daß der schlechtbezahlte einfache Dienst von der Regelung „weitgehend“ (Hoffmann) ausgenommen bleiben könne. Zum Beispiel über die Ausgestaltung des Schichtdienstes und die Unterrichtsversorgung an den Schulen.

Ob diese Menge Zuckerbrot ausreicht, den Weg zu ernsthaften Verhandlungen zu versüßen, das ist allerdings höchst zweifelhaft. In diesen Tagen trudeln beim Gesamtpersonalrat die Stellungnahmen der Betriebsgruppen aus den Behörden und Ämtern ein. Und der Tenor ist eindeutig: „Da ist keine auch nur ansatzweise positive Stellungnahme drunter“, berichtet Gerhard Tilsner, Vorsitzender des Gesamtpersonalrats. Reden mit den Staatsräten könne man viel, aber so wie es zur Zeit aussieht, bleiben die netten Pläusche folgenlos: „Solche Tarifverhandlungen gehen nur mit der Zustimmung Mitgleidschaft. Wir werden nichtmal ein Mandat zu Verhandlungen kriegen.“

Wie sich die Meinungen doch decken: Klaus Stübe, Sekretär bei der Polizeigewerkschaft: „Das gibt Zoff.“ Und Jan Kahmann, stellvertretender Bezirkssekretär der Bremer ÖTV, schätzt die Mitgliedschaft seiner Gewerkschaft genauso ein. Solidarpakt, so nicht. „Ich bin sehr skeptisch, ob wir überhaupt über den Status von informellen Gesprächen rauskommen“, sagt er.

Denn hinter allen konkreten Problemen, zum Beispiel, ob und wie ein solches Modell mit dem Beamtenrecht vereinbar zu machen wäre, verbirgt sich noch eine bundespolitische Nuß. Und die wird nur schwer zu knacken sein. Bremer Tarife hängen an den Tarifverhandlungen auf Bundesebene. Das Land kann nicht so einfach aus diesem Tarifgefüge ausscheren. Dafür bräuchte es das Placet der Tarifparteien auf Bundesebene; des Bundesinnenministers (und dahinter der Bundesregierung) und der Zentralen der beteiligten Arbeitnehmerorganisationen. Die größte und wichtigste davon ist die ÖTV. Als Nölle und Scherf beim Kanzler waren, hat der Unterstützung signalisiert: Wenn die Gewerkschaften ihre Zustimmung geben würde Kohl sich bei Innenminister Kanther für eine Öffnungsklausel zum Bundestarifvertrag stark machen. Wenn die Gewerkschaften mitmachen – aber genau danach sieht es überhaupt nicht aus. „Eine Öffnung für Bremen, das sehe ich überhaupt nicht“, sagte gestern eine Sprecherin der Stuttgarter ÖTV-Bundeszentrale. J.G.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen