■ EURO–Golz: Hart, aber ehrlich
Entgegen meiner Gewohnheit möchte ich mich heute mal dem allgemeinen Jubel der Boulevardpresse anschließen. Es tut doch gut, wenn das Aushängeschild eines Berufsstandes nach teilweise überzogener Kritik einen großen Erfolg erringt.
Die Bleistifte der Republik waren schon gespitzt, um Berti Vogts damit zu erdolchen. Auf die Gefahr hin, daß man von fanatischen taz-Lesern als Chauvinist beschimpft wird und sich nicht mehr südlich der Rentzelstraße bewegen darf, freue ich mich riesig über den Erfolg der Nationalmannschaft.
Das Erreichen des Finales ist für die meisten Fachleute wahrscheinlich eine große Überraschung, nachdem die letzten beiden Spiele allgemein als „schlecht“ bewertet wurden. Tatsache ist aber, daß Mannschaften wie Italien, Portugal oder Frankreich nicht mehr im Wettbewerb sind. Die haben zwar den schöneren Fußball gespielt, sind aber letztlich gescheitert. Wie ich schon in einer vorherigen Ausgabe sagte: „Ästhetik ist, wenn man trotzdem lacht.“
Die Krauts sind wieder im Finale und haben mindestens genauso viel erreicht wie bei der letzten EM in Schweden. Die Paul Breitners und andere Miesepeter werden wieder von destruktivem Mauerfußball klagen und Berti Vogts dafür verantwortlich machen. Der Bundestrainer kann sich locker hinstellen und denken: „Was juckt es den Mond, wenn der Hund ihn anbellt?“ In zwei Monaten interessiert es niemanden mehr, wie das Finale erreicht wurde.
Ob das Endspiel nun gewonnen oder verloren wird, ist mir völlig piepegal, für mich ist das Abschneiden meiner Arbeitskollegen ein absoluter Erfolg. Auch als Vizemeister. Selbst wenn die beefgedopten Engländer das Finale erreicht hätten, wäre es kein Untergang gewesen, denn das beste und spannendste Match haben Deutschland und England geliefert. Unterhaltung wird wieder Groß geschrieben. Von diesem Spiel spricht man noch in zehn Jahren.
Der einzige Nachteil an der ganzen Geschichte ist die Tatsache, daß einige viele wieder denken, die allergrößte Nation zu sein. Recht haben sie.
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