: Harsche Worte an Gaddafi
Die EU-Kommission ist schockiert über das libysche Todesurteil. Bulgarien droht mit Dauer-Veto gegen Tripolis
MADRID taz ■ Nach der Bestätigung der Todesurteile droht Libyen erneut die Isolation. Bulgariens Außenminister Iwajlo Kalfin kündigte an, er werde alles tun, um den Druck auf Staats- und Revolutionsführer, Oberst Muammar al-Gaddafi zu erhöhen. Kalfin bezeichnete das Urteil als „zutiefst enttäuschend und unbegründet“. Falls Libyen nicht einlenkt, will er nach dem EU-Beitritt Bulgariens am 1. Januar 2007 Veto gegen alle bilateralen Initiativen einlegen. Kalfin, der sich zurzeit in den USA aufhält, will den Fall zudem bei einem Treffen mit der Außenministerium Condoleezza Rice zum Thema machen. Die USA hatte in der Vergangenheit immer wieder für die Freilassung der Krankenschwestern plädiert.
Die EU-Kommission zeigte sich gestern „schockiert über das Urteil“. Kommissionspräsident José Manuel Durão Barroso und mehrere EU-Kommissare stellte sich demonstrativ hinter Bulgarien. „Ich möchte mir eine Vollstreckung der Todesurteile gar nicht vorstellen“, erklärte EU-Justizkommissar Franco Frattini, der als Erster vor die Presse trat. „Ich hoffe auf eine Möglichkeit des Nachdenkens“, ermahnte der Italiener, der sich in der Vergangenheit für eine Annäherung der EU an Libyen eingesetzt hatte, die dortigen Verantwortlichen.
Erst vor wenigen Jahren hatte es Staatschef al-Gaddafi geschafft, vom Schurken Nummer 1 zum Dialogpartner des Westens in Nordafrika aufzusteigen. Eingeleitet wurde der Annäherungsprozess durch Entschädigungszahlungen an die Opfer des Attentats auf eine PanAm-Maschine über dem schottischen Lockerbie und auf die Berliner Diskothek La Belle. Daraufhin hob die UN die Sanktionen gegen Libyen auf. Ende 2003 kündigte Gaddafi dann an, alle Massenvernichtungswaffen zu zerstören und die entsprechenden Forschungsprogramme einzustellen. Dieser Prozess ist mittlerweile abgeschlossen. Die USA nahmen daraufhin ganz offiziell wieder diplomatische Beziehungen zu Gaddafi auf. Die EU lud ihn gar nach Brüssel ein.
Dieser sanfte Kurs könnte jetzt zu Ende sein. Mit Blick auf die am 1. Januar 2007 beginnende deutsche EU-Ratspräsidentschaft versprach Außenminister Frank-Walter Steinmeier: „Wir werden weiter Druck machen, dass Libyen eine Lösung herbeiführt.“ REINER WANDLER