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Hardy, halt Deinen Krügerrand!

„Weltenbummler“, ARD, 22.00 Uhr  ■ Von Theodor Weißenborn

Havanna, denk ich, da war doch mal was. Und wie ich noch so, im Gästehaus des Staatschefs nämlich und ganz fidel an der Bar, ja, da kommt er auch schon rein. Einfach so. Und: Das kann doch nicht wahr sein? denk ich noch. Aber da steht er auch schon hinterm Tresen mit seinen Einmeterneunzig, um mir ganz lässig einen auszugeben, wie er das immer macht, wenn er einen mag. Und: „Hey, Hardy!“ sagt er nur, und: Was für ein Mann! denk ich noch.

Und da sind wir auch schon per du. Weil nämlich, daß er Englisch spricht und ich natürlich auch. „Na, schieb mal 'ne Bloody Mary rüber!“ sag ich, und das tut er dann auch, und: „Cheers!“ sagt er nur, und da weiß ich, daß er mich versteht. Und ich denke: Havanna, denk ich, das ist mehr als Cuba libre und Zuckerrohrschnaps und Hurrikans und abgetakelte Schauspieler, die Drehbücher schreiben, denn da war mal einer und hat auch so dagesessen wie ich, ist aber schon länger her, hieß Hemingway oder so.

Und ich brauch auch gar nicht weiterzudenken, denn der Mann hinterm Tresen mit der Havanna zwischen den Zähnen, der kennt das alles. Und nur gut, denke ich, daß du so belesen bist, Hardy, weil Reisen bildet eben. Und der Mann mir gegenüber, wie gesagt, der hat das natürlich sofort verstanden. „Genau!“ sagt er und: „Sag bloß!“ Und da kneift er auch schon die Augen so zusammen, daß ich, und wie ich ihn da so stehen sehe mit seinen zusammengekniffenen Augen und mir bloß den Bart etwas kürzer denke oder grauer und 'ne Anglermütze dazu — o boy! denke ich da, diese Ähnlichkeit! Das kann doch nicht...

Ist dann aber doch. Denn wie ich noch, da nickt er auch schon, mit dem Kopf nämlich, und meint: „Ein Mann kann sich seinen Vater nicht aussuchen.“ Wie die Kubaner sagen. Und die müssen es ja wissen, denn ganz Kuba ist voll von Hemingway- Söhnen. „Der Regen“, sagt er noch, und das ist auch so. Und dann, wie ich das gar nicht kenne von ihm, da sagt er und erklärt mir das: „Erst der Hurrikan“, sagt er, „'26 nämlich, dann der Regen und dann der Stromausfall...“

Und der Suff, denk ich so bei mir. Aber das sag ich ihm nicht, denn wie er da so, da kaut er so auf seiner Havanna wie die Ruhe vor dem Sturm und macht nicht viele Worte, und da denk ich auch schon (wenn's auch schwerfällt): Besser, du siehst ihm mal nicht ins Gesicht. Denn könnte nämlich sein, daß da mal Tränen drin stehn, gleich, in seinen Augen nämlich. Aber: „Ein Mann weint nicht!“ sagt er da nur, wie die Kubaner sagen. Und da haben sie auch recht. Denn so ist das nun mal auf Kuba, in der Regenzeit. Und wie er mir noch einen Bananenshake macht und da so rummacht, mit der Rumflasche nämlich und mit seinem Mixbecher, und seinem Staatsgast eigenhändig einen ausgibt, einen Drink nämlich: Ein Mann tut seine Arbeit..., denk ich da, wie so oft an diesem Tag, wenn ich diese erschütternden Einfälle habe, und da schiebt er mir auch schon das Glas rüber, ganz einfach nur so und per du, und ich denke, der denkt jetzt bestimmt, ich denk mir, der denkt sich was.

Aber das soll er nicht, und das muß auch nicht. Und darum sag ich mal am besten gar nichts, denn da, wie ich so, da bin ich doch tatsächlich so'n bißchen, in der Brust nämlich und auch ein bißchen tiefer, weil ich, an seinen Vater nämlich, weil er nämlich auch, und wie ich bloß noch so rummache, mit dem Mund nämlich und ohne viele Worte oder Gedanken oder wie das heißt, aber da fällt mir nichts mehr ein, im Kopf oder so, genau wie seinem Vater, damals nach der zweiten E-Schock-Serie nämlich. Und da denk ich doch tatsächlich: Hardy, denk ich, und schluck's einfach hinter und halt endlich deinen Krügerrand! Denn was ich noch sagen wollte, das hab ich leider vergessen. So ist das.

Und heute kühlt Hardy sein Hirn in den Rockies.

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