vorlauf kunst: Harald Fricke schaut sich in den Galerien von Berlin um
Das Mädchen auf den fünf Fotos von Gary Gross steht nackt in einer Badewanne und hält sich an einem Duschschlauch fest. Dazu trägt die eben zwölfjährige Brooke Shields auf den Standfotos zum Film „Pretty Baby“ grünen Lidschatten, der gut zur Haarspange passt – so sahen Skandale aus in den Siebzigerjahren. Trotzdem hat die Gruppenausstellung „24, rue du Faubourg-Saint-Honoré“ in der Galerie Neu, Philippstraße 3, nichts von einem Tabubruch – und auch nur wenig mit Mode zu tun. Die Einladung ist zwar eine Grußadresse an das Pariser Modehaus Hermès. Doch ansonsten erinnert bei Neu bloß ein echter Pelz auf dem Sofa an die Winterkollektion 2001/02. Man übt sich vielmehr in Dezenz: In der Ecke läuft das aktuelle Video zur „Workshop“-Single, weil Kai Althoff Künstler der Galerie ist, vorne steht eine verwinkelte Stahlskulptur von Thomas Kiesewetter, links zwei kleine gelbstichig gemalte Herbstblattszenen von Ull Hohn. Der Faktor Kunst ist angenehm runtergefahren – auch das eine Folge des 11. September, der vielen Künstlern Schwierigkeiten macht, einfach fortzufahren wie bisher. Vielleicht hängt daher gleich am Eingang ein Demoschild von Christian Flamm mit den mahnenden Worten: „Aendert Euch“.
Es gibt wenig auszusetzen an den Skulpturen von Rachel Whiteread, die bei Deutsche Guggenheim Berlin stehen. Passgenau auf die Maße des Ausstellungsraumes eingerichtet, kann man den Gipsabguss einer Kellertreppe aus dem Haus der britischen Künstlerin bewundern und daneben noch zwei komplett abgeformte winzige Zimmer, wie sie in Londons ärmeren Vierteln immer schon üblich waren. Whiteread beherrscht die Ästhetik der Enge und schafft damit trotzdem gezielte Verknüpfungen mit der Weite des white cube.
Für die Freunde der Wiederholung: Andy Warhol in der Neuen Nationalgalerie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen