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Hapel spielt Gesetzeskiller

■ CDU-Innenpolitiker will Normen prüfen, um Gesetzesflut zu stoppen. Bündnisgrüne fürchten Gesetzesmanipulation

Dieter Hapel ist von Hause aus Postbeamter. Jetzt aber greift der Mann mit dem Seeräuberbart zum Säbel. Energisch will Hapel, innenpolitischer Sprecher der CDU- Fraktion, der Gesetzesflut zu Leibe rücken. Hapel fordert einen Normprüfungsausschuß, der jedes Gesetz vor seinem Inkrafttreten auf seine Auswirkungen hin überprüft und notfalls stoppt.

Die Idee ist nicht ganz so taufrisch, wie Hapel vorgibt. Nicht etwa der CDU-Kongreß „Schlanker Staat“, den Hapel jüngst besuchte, kam auf den Trichter, Gesetze zu entschlacken. Vor knapp 15 Jahren wurde beim Bundesinnenminister eine Kommission eingesetzt, die sich fortan mit dem Thema befaßte. Die Hapelsche Idee sei ein „relativ bekannter Vorschlag“, berichtet Kommissionsmitglied Heinrich Siedentopf. Der Speyerer Verwaltungswissenschaftler ist ein alter Haudegen beim Durchforsten und Entschlacken von Vorschriften. „Man kann doch niemanden einsetzen, der Gesetzesvorlagen killt.“ Das wäre eine Nebenregierung.

Hapel beruft sich bei seinem Vorschlag auf die bayerische Staatsregierung. Die überprüft alle Gesetzentwürfe mit einer Checkliste. Auch die Bayern haben nichts Neues erfunden. Deren Prüfliste geht auf die gleichfalls 15 Jahre alten „blauen Prüffragen“ des Bundes zurück. Danach muß jeder Gesetzesschreiber im Ministerium sich fragen: „Muß überhaupt etwas geschehen?“ „Muß jetzt gehandelt werden?“ Oder: „Ist die Regelung bürgernah und verständlich?“ Trotzdem werden seitdem Gesetze verabschiedet, die diesen Kriterien nicht entsprechen.

Auch an der Spree herrscht Skepsis gegenüber dem „20 Jahre alten“ Hapel-Vorschlag, wie ihn der Potsdamer Verwaltungsreformer Werner Jann einstuft. Warum, fragt sich Jann, soll ausgerechnet ein weiterer Ausschuß die Entbürokratisierung vorantreiben?

Renate Künast, rechtspolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, sieht hinter Hapels Vorschlag etwas anderes: Einem Normenüberprüfungsausschuß „wird es immer in den Fingern jucken. Da wird dann als Entschlackung verkauft, was in Wahrheit eine Änderung des Gesetzesinhalts ist.“ Und dafür ist das Parlament zuständig. Heinrich Siedentopf kann das nur bestätigen: Seitdem er in der Entschlackungskommission des Bundes sitzt, versuchten Interessenvertreter vom Bund der Deutschen Industrie oder dem Deutschen Industrie- und Handelstag am Gesetzesinhalt zu manipulieren.

Künast fordert vom Senat, sich zunächst einmal um die bis Ende 1996 versprochene Außerkraftsetzung aller Verwaltungsvorschriften zu kümmern. Wie es um den in der Koalitionsvereinbarung vereinbarten Vorschriftenkahlschlag steht? Die zuständigen Senatsverwaltungen von Justiz und Inneres wissen nichts davon. Kein Anschluß unter dieser Aufgabe. Christian Füller

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