Hape Kerkeling als Horst Schlämmer: "Alles ist zu wenig"
Horst Schlämmer stellt sein Parteiprogramm vor und die Journalisten spielen begeistert Statisten. Da hat selbst Martin Sonneborn mit seinem Kandidatenteam von "Die Partei" keine Chance.
Bundespressekonferenz im Ballsaal des Ritz Carlton, unter gewaltigen Lüstern sitzt der Kanzlerkandidat mit Überbiss, Fönfrisur, im speckigem Trenchcoat und grunzt ins Mikrofon: "Mein Name ist Horst Schlämmer." Dann macht er mit den Fingern Hasenöhrchen. Die ersten Lacher. Irgendwo auch ein entzückter Juchzer. Es ist Wahlkampf - für die HSP, die Horst Schlämmer Partei, Kampffarbe Ocker, zu der es auch einen Film gibt: "Horst Schlämmer - Isch kandidiere".
Endlich mal Politik, die Freude macht - das füllt den Saal, mehr als hundert Journalisten sind gekommen, zig Kamerateams und Fotografen. Die Kanzlerin wurde schon lange nicht mehr so beblitzt wie der ehemalige stellvertretende Chefredakteur des Grevenbroicher Tageblatts, der trotz "Kreislauf, Rücken und Füße" jetzt in die Politik will.
Natürlich ist Horst Schlämmer Hape Kerkeling und natürlich wissen das alle, spielen aber brav Wahlkampf - und demnächst vielleicht auch im HSP-Film mit. Denn der ist trotz Starttermin am 20. August noch nicht fertig. "Uns fehlen noch sieben Minuten, die quälen wir gerade mit euch rein. Je mehr Blödsinn Sie reden, desto besser für uns", sagt Horst-Hape und es läuft ziemlich gut für ihn die nächsten 45 Minuten lang.
Die Bunte, RTL-Exklusiv, Brisant und all die Radiosender mit vielen Ziffern im Namen stellen plötzlich die harten Politikfragen. Zum Wahlprogramm - "Alles ist zu wenig, es muss mehr sein. Wir sind konservativ, liberal, links und ein bisschen ökologisch", sagt der Kandidat. Zur Frauenquote - dieselbe Antwort noch mal auf Englisch. Zum Slogan "Yes, Week-end" - "Das war ein Missverständnis. Ich dachte, Obama hätte das gesagt". Zu möglichen Koalitionspartnern: "Ich bin für die Grün-Ocker-Fango-Koalition und Claudia Roth wird Außenministerin." Zu Steinmeiers Deutschland-Plan: "Ich verspreche heute, dass ich vier Millionen neue Arbeitsplätze nicht schaffen werde." Dann noch ein paar Worte zur Integration und zur Forderung nach Schönheits-OPs für alle. Damit sie alle nicht mehr so unzufrieden sind.
Schlämmer-Kerkeling antwortet genau so, wie es ins Programm passt, die Journalisten spielen begierig mit und freuen sich aufgeregt auch über die Lacher, die auf ihre Kosten gehen. Praktikant Ulle (Simon Gosejohann), Alexandra Kamp (mutmaßlich als sie selbst), Wirt Günni (Norbert Heisterkamp), Regisseur Angelo Colagrossi (bestimmt als er selbst) werden dagegen mit Stille bestraft. Denn sie sind dramatisch unlustig.
Natürlich wird Schlämmer auch gefragt, wo denn Kerkeling sei. "Der unterstützt mich nicht, der ist eine Diva." Ob die beiden denn verwandt seien. Nein. Bloß nicht Rolle und Leben durcheinanderbringen, auch nicht, als er gefragt wird, was er denn von Homosexualität halte: "Politisch finde ich das absolut okay, privat finde ich es widerlich", sagt Hape-Horst. Kerkeling ist mit Regisseur Colagrossi zusammen.
Kein Platz im PR-Wahlkampf hat die politische Konkurrenz. Als Satiriker Martin Sonneborn mit seinem Kandidatenteam von "Die Partei", der zufällig auch bald einen Film im Kino hat, das Podium kapert, während Schlämmer beim Fototermin nebenan ist, wird erst der Ton und dann das Licht abgedreht. "Wer Fragen zur Krise des Journalismus hat, kann sie jetzt stellen", hört man Sonneborn noch sagen. Schweigen. Dann wird er abgeführt von der Hotel-Security - und die Lüster gehen an, für Horst Schlämmer und seine dankbaren Opfer.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator