■ Das Portrait: Hans Lebert
Er sah aus wie ein Wagnersänger und war auch einer: Hans Lebert, der österreichische Schriftsteller und (in erster Karriere) Sänger, der am 20. August gestorben ist. Daß die Nachricht von seinem Tod mit Verzögerung erschien, ist in gewisser Weise typisch für Lebert, der als Schriftsteller lange Zeit vergessen war – daß es sich aber überhaupt um eine Nachricht handelt, ist Folge seiner Entdeckung von 1991, als Hans Leberts Roman „Die Wolfshaut“ veröffentlicht wurde – erneut. Denn vor gut 30 Jahren war dieses Buch schon einmal erschienen, wurde gepriesen und vergessen. Bei seiner Neuauflage lobten es Elfriede Jelinek und andere namhafte KollegInnen; Hans Lebert wurde literaturpreisgekrönt und, wie Albert Drach, von einer zweiten Generation von Lesern entdeckt.
„Die Wolfshaut“ beschreibt ein Provinzverbrechen, von dem noch sechs Leichen zeugen und ein bleistiftgeschriebener Brief. Ein kollektives Verbrechen jener Art, wie sie in den Wochen des „Zusammenbruchs“, der „Niederlage“ ungezählt oft begangen wurden, als das chaotisierte Deutsche Reich den einzelnen überlassen blieb, ihrer Disziplin, Rachsucht oder Feigheit. Als Gewehre versteckt, Orden beseitigt und noch schnell ein paar Menschen getötet wurden, nach denen niemand mehr fragen würde. Vor allem nicht in einer Gegend, in der man naturwüchsig zusammenhält gegen die Fremden und die Städter, gegen die Gebildeten und die Beamten, gegen die neue Zeit und Demokratie und Abendland. Wo die Zukunft ein Argwohn ist und einem das „Heil!“ und das „Sieg!“ am Stammtisch schon einmal entfahren darf. Wo der Rest der Welt der Feind ist, den man gemeinsam in die Jauche stößt, wenn er sich herwagt und per Pech noch stolpert; wo der Heimatfilm schon immer in Sepia lief – in einer Gegend wie Dolgenbrodt vielleicht.
Die keineswegs ärmliche Tradition des bösen Heimatromans in Österreich – zu der Thomas Bernhard zählt, Elfriede Jelinek, Albert Drach – hat Lebert nicht nur „bereichert“; er hat ihr beigegeben, was man gemeinhin Weltliteratur nennt. „An das Sterben ist man hierorts gewöhnt,“ heißt es in der „Wolfshaut“, „jedenfalls eher als an das Denken.“ Hans Leberts Werk erscheint im Europa-Verlag und sollte, wenn es gerecht zuginge in der Welt, sein Sterben überleben. ES
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