Hannover Scorpions: Die Schwindelanfälle gehören dazu
Die Hannover Scorpions fahren mit einem 0:4 gegen Berlin die sechste Niederlage in Folge ein. Nervös wird in Hannover aber niemand: Die Durststrecke war erwartbar im Zuge des wirtschaftlich motivierten Neustarts.
Sie erfinden sich gerade neu. Ganz reibungslos verläuft das nicht, aber das hatten die Verantwortlichen auch nicht erwartet. Denn bei den Hannover Scorpions vollzieht sich diese Verwandlung wirtschaftlich und sportlich gleichermaßen, und weil der eine Bereich den anderen deutlich mehr beeinflusst als es andersrum der Fall ist, gehören in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) Schwindelanfälle wie das 0 : 4 (0 : 1; 0 : 1; 0 : 2) gegen den Meister und Tabellenführer Eisbären Berlin am Sonntag einfach dazu.
Vielleicht gehen sie mit den sportlichen Rückschlägen dieser Tage deshalb erstaunlich gelassen um, weil selbst Niederlagen angesichts der jüngeren Vergangenheit wie kleine Erfolge wirken. Denn noch vor wenigen Monaten drohte dem Verein das Aus: Günter Papenburg, der Alleingesellschafter der Scorpions, wollte keine Lizenz mehr beantragen, weil er zu der Einsicht gelangte, mit dem Eishockey in Hannover kein Geld verdienen zu können. Auch nach der letzten Saison glich er das Minus von knapp drei Millionen Euro aus eigener Tasche aus.
Erst als die Einnahmen und Ausgaben in Einklang gebracht wurden, auch durch den Verzicht der Spieler auf bis zu 25 Prozent ihres Grundgehalts, beantragte er die Spielgenehmigung. "Wir befinden uns auf einem guten Weg, den Verein in Zukunft wirtschaftlich unabhängig entwickeln zu können", sagte Scorpions-Geschäftsführer Marco Stichnoth.
Durch die wirtschaftliche Gesundung ist die sportliche Entwicklung der Mannschaft deutlich schwieriger geworden. Wichtige Spieler haben den Verein verlassen, vor allem in der Abwehr fehlt es an Erfahrung. Die vielen langfristigen Verträge haben verhindert, darauf kurzfristig reagieren zu können.
"Wir haben Spieler verloren, die wir nicht ersetzen können", sagt Stichnoth, der weiß, dass die vorgenommenen Kürzungen unweigerlich zum Verlust von Qualität führen. "Uns fehlt momentan einfach die Klasse aus dem letzten Jahr", sagt auch Hans Zach, der Trainer, der weiß: "Es ist ein langer Prozess, sich diese Erfahrung aus den Spielen zu holen. Dafür brauchen wir vor allem Geduld."
Geduld ist aber genau das, was das Team selbst offensichtlich nicht hat. "Die Mannschaft hat den Anspruch, besser zu sein als es der Tabellenplatz ausdrückt", weiß Stichnoth. Es ist diese Ungeduld, die eine Konstanz in den Auftritten derzeit unmöglich macht. "Mannschaft und Trainer setzen sich selbst unter Druck, das führt unweigerlich zu einer Verunsicherung."
Dabei wirkt die vergangene Saison - die erfolgreichste in der Vereinsgeschichte - wie eine zusätzliche Belastung. Sie ist unsichtbar, aber doch da. Die Last, die die Spieler einen Schritt langsamer, im Abschluss unkonzentrierter und in den Leistungen launenhafter erscheinen lässt.
Das war auch am Sonntag so. Die Gäste spielten nüchtern und sachlich, und damit so, wie es Hannover eigentlich wollte, aber nicht tat. Berlin beschränkte sich auf das Nötigste, in dem Gefühl, immer dann anziehen zu können, wenn die Gastgeber besser in die Partie fanden.
Es war diese Unaufgeregtheit, die vor 5.899 Zuschauern den Unterschied machte und die angestrebten Play-offs für die Scorpions nach nun sechs Niederlagen in Folge erst einmal aus dem Blickfeld rücken lässt. Und es waren die Tore von Roach (9.), Hahn (24.), Mulock (43., 51.), die gezeigt haben, dass die Findungsphase möglicherweise noch länger andauern wird.
Vielleicht wird sich dann auch Hans Zach noch einmal neu erfinden. Denn eigentlich wollte er nach dieser Saison aufhören, sich eine Auszeit nehmen. "Ich werde mich wie immer erst nach der Saison entscheiden. Das kann alles sein - das mache ich nicht von Launen abhängig", sagt der Trainer mittlerweile und präsentiert sich damit durchaus geordnet. Im Gegensatz zu seiner Mannschaft in diesen Tagen.
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